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Der vergessene Turm: Roman (German Edition)

Der vergessene Turm: Roman (German Edition)

Titel: Der vergessene Turm: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert M. Talmar
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hören, dann war es vorbei.
    Mellow erhielt einen Hammerschlag vor die Brust oder glaubte es zumindest   – er sah weder einen Hammer kommen noch das Axtschwert, das es in Wahrheit war.
    Hätte es ihn mit der Schneide getroffen und nicht mit der Breitseite, wäre er entzweigeschnitten worden; doch darüber dachte er erst sehr viel später und mit entsetzlichem Schauder nach. Jetzt spürte er nur, wie ihn der Schlag von Vanku herunterriss.
    Ein zweiter, beinahe genauso heftiger Schlag traf seinen Rücken, wie er im ersten Moment glaubte. Tatsächlich war es der Grasboden, auf den er geschleudert wurde. Er hatte wahrlich großes Glück. Sein Kopf verfehlte um nur zwei Fingerbreit einen neben ihm liegenden, fußgroßen Stein. Mellow plumpste außerdem in weiches Gras und prallte nicht auf harten Lehm wie Finn nur Sekunden später.
    Dennoch blieb er benommen liegen und wusste nicht, was ihm geschehen war.
    Dann schüttelte er sich, stemmte sich vom Boden hoch und bemerkte den Gidrog, der sechs oder sieben Klafter von ihm entfernt auf einem Bein balancierte, die Arme auf Schulterhöhe erhoben, als wolle er Schwung holen und zusätzliche Kraft gewinnen, die Hände zu Fäusten geballt.
    Erst jetzt gewahrte er unter dem Angreifer Finn, der, ohne sich zu bewegen, auf dem Boden lag.
    Mellow nahm an, sein Freund sei tot, und der Gidrog wolle seinen Leichnam misshandeln. Ohne nachzudenken, fasste er seinWacala an der Spitze, die noch feucht war vom Blut des zweiten Feindes, den er im Vorbeireiten gefällt hatte; er holte aus und schleuderte das große Messer, einen kurzen Schrei ausstoßend, mit aller Kraft.
    Er tat es einfach, ohne daran zu denken, wie viele Mühe sich seine älteren Brüder lange Jahre mit ihm gegeben hatten, bis er das Werfen eines Wacalas einigermaßen beherrschte. Er hatte bislang weder die Kunstfertigkeit Kampos noch die hohe Treffsicherheit Sahasos erreicht und war ihnen in jedem Wettstreit stets unterlegen; aber er war wie sie im Rudenforst aufgewachsen, unter Holzfällern und Waldbauern, die mit ihren langen Messern umzugehen verstanden. Mellow war geschickt und das Wacala ihm nicht fremd. Es sauste davon und wirbelte surrend um sich selbst, ehe es mit der Spitze den Rücken des Gidrogs traf. Mit einem schmatzenden Geräusch drang die schwere Klinge ihm durch das Lederwams bis ans Heft ins Fleisch.
    Der Hauergesichtige kämpfte um sein Gleichgewicht, stieß den noch erhobenen Fuß zu Boden wie ein Fischer, der seinen Stab in den Flussgrund rammt, um sein Boot vor dem drohenden Kentern zu bewahren.
    Dann taumelte er und drehte sich zu Mellow um. Eine Hand tastete zum Rücken, doch sie bekam das Heft nicht zu fassen. Der Gidrog spukte Blut über seine Eckzähne, sackte auf die Knie und grunzte etwas. Dann brach er gurgelnd über einem niedrigen Strauch zu seinen Knien ein wie ein gefällter Baum, der ins Buschwerk krachte. Mellow rappelte sich auf, wankte zu dem gedrungenen Wesen hin und zog ihm mit einiger Mühe das Wacala aus der lederumhüllten Schuppenhaut.
    Finn erwachte, wenn es denn ein Erwachen war. Und wenn es eines war, so eines wie aus einem Albtraum, bei dem man feststellte, dass der Traum trotz des Erwachens weiterging. Er hörte einen dumpfen Aufschlag und als Nächstes, wie der Gidrog einen Ton von sich gab, der sich wie Hehhh! anhörte oder nach zu rasch geschnappterLuft. Der Fuß fuhr nieder, doch er verfehlte Finn und verschwand vor seinem Gesicht. Der Gidrog drehte sich weg und taumelte zur Seite. Finn war dankbar, obwohl er den Grund dafür nicht verstand.
    Mit dem seufzenden Laut des Gidrogs kehrte, durch irgendeinen Zauber vielleicht oder weil es sein Schicksal war, Finns eigener Atem zurück, und tief, tief sog er die Luft ein   – nicht wie ein fast Ertrunkener, sondern wie ein von einer unendlichen Last Befreiter.
    Tief schöpfte er Atem.
    Nichts, gar nichts konnte herrlicher sein als diese eine, lange, nicht mehr enden wollende Weitung seiner Lungen. Und nach jener tröstlichen Erfahrung   – als er den Atem, langsam, als könne er sich kaum davon trennen, wieder aushauchte   – nach dieser Erfahrung war da ein weiteres Luftholen. Und noch ein weiteres und wieder eines, und jedes war köstlicher als das vorherige. Nun hätte er ewig auf dieser Wiese liegen können, um einfach nur zu atmen: ein und aus, und nichts anderes wollte er fürderhin tun. Ein Flüstern kam von irgendwo, und es dauerte einige Augenblicke, bis er es als das erkannte, was es war: knisterndes Holz, an

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