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Der vergessene Turm: Roman (German Edition)

Der vergessene Turm: Roman (German Edition)

Titel: Der vergessene Turm: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert M. Talmar
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nicht wie ein Tollpatsch.
    »Lass uns gehen«, sagte sie. »Wenn wir uns eilen, kommen wir noch zurecht. Was schreibst du da?«
    »Ach, ich mache mir nur ein paar Notizen«, erklärte er, während sie gingen. »Über das, was geschieht. Nichts Wichtiges, fürchte ich. Nur die Gedanken eines Vahits, der kaum versteht, in was er da eigentlich hineingezogen wurde und   … na ja, und wird.«
    Tallia nickte nachdenklich. »Nach dem, was du erlebt hast? Ich würde es nicht anders halten.« Sie hielt ihn am Arm zurück, als sie mitten unter dem gewölbten Dach des Durchgangs waren. Er spürte ihre warme Hand durch den Stoff seines Hemdes hindurch. Durch irgendeinen Zauber wurde die Stelle heiß. »War es   – sehr schlimm? Nachdem ihr fortgeritten wart, meine ich?« Sie schlug die Augen nieder und starrte auf ihre Schuhspitzen. »Ich   – ich habe mir große Sorgen gemacht in der Nacht. Um euch. Um dich. Ihr   … ihr habt den Tod gesehen, nicht wahr?«
    »Ja«, antwortete er so leise, dass er sich selbst kaum hörte. »In mannigfaltiger Art. Es war sehr schlimm. Furchtbar. Ich habe dreimal geglaubt, im nächsten Moment sterben zu müssen. Das erste Mal schon, noch ehe wir Mechellinde überhaupt verlassen hatten, bei Kekros brennendem Broch. Ich   – ich hatte Angst.« Dich nicht mehr wiederzusehen , wollte er eigentlich hinzufügen, aber er schaffte es aus irgendeinem Grunde nicht, die Worte auszusprechen.
    Und so stand er da und wurde rot, als er begriff, was sie nun glauben musste: dass er von seiner inneren, ureigenen Angst sprach. Sie wird denken, ich bin feige und renne beim ersten Auftauchen von Gefahr davon!, schoss es ihm durch den Kopf; und dieser Gedanke glühte ungleich stärker als die Stelle am Arm, wo Tallia ihn immer noch berührte. Diese neue, beschämende Hitze löschte die andere Hitze aus, und er drehte sich um, riss sich beinahe los und murmelte: »Sie warten auf uns.« Er schlug einen raschen Schritt an, hinaus aus dem Durchgang und hinein in das Geviert, wo er sich unter hunderten von schwatzenden Vahits verlor. So schien es ihm zumindest, denn es waren nur einige Dutzend, die sich eben anschickten, sich an die Tische zu setzen.
    Jemand läutete eine kleine Glocke. Irgendwer ergriff seinen Arm und zog ihn zur linken Seite hinüber. Es war Mellow, der ihn schobund zerrte und endlich auf eine Bank nahe des Podestes niederdrückte, sodass er mit dem Rücken zur Colpia und dem Gesicht zum Gästehaus zu sitzen kam.
    Abermals läutete es, und allmählich kehrte Ruhe ein. Die drei Scepmáhin schritten langsam und würdevoll heran und nahmen in ihren roten Westen auf ihren Stühlen Platz. Rundherum erstarben die letzten Gespräche. Alle Blicke richteten sich erwartungsvoll auf Wredian Gimpel, den Vahogathmáhir. Ein drittes Glockengeläut erklang, und Herr Wredian gab ein Zeichen, woraufhin ein kräftiger Vahit unter den wehenden Bannern eine weithin schallende Tumbara blies.
    Der große Rat von Mechellinde hatte begonnen.
    Der Bürgermeister erhob sich und breitete beide Arme aus. »Ich grüße euch, ihr, die ihr hier versammelt seid. Ich habe euch in aller Eile rufen lassen, und weder diese Eile noch der Umstand, dass ich euch zudem noch ohne Ankündigung hierhergebeten habe, entspricht den üblichen Gepflogenheiten. Aber«, sagte er und hob seine Stimme und deutete über die Mauern der Bücherey hinweg, »inzwischen weiß es auch der letzte Vahit in Mechellinde   – gegenwärtig erleben wir unübliche Dinge, und sie erfordern unübliche Maßnahmen.«
    Er erntete Raunen und allgemeine Zustimmung. Alle Tische des Gevierts im Innengarten waren dicht an dicht besetzt, und dahinter standen entlang der Arkaden weitere Vahits, die erwartungsvoll dem lauschten, was Herr Wredian kundtat. Finn erkannte viele Gesichter, darunter vor allem jene, die der Buoggagilde angehörten. Und natürlich die, die Rang und Namen hatten. Mein Vater müsste von Rechts wegen ebenfalls hier sein, dachte er und suchte die Reihen ab, ob er ihn irgendwo entdeckte, was nicht der Fall war. Zugleich fragte er sich, was Furgo wohl sagen würde, wenn er von dem Rat erführe, und wo er und seine Mutter wohl in diesem Augenblick steckten. Vielleicht sind sie schon auf dem Rückweg, dachte er. Und zu seiner eigenen Verwunderung erschien ihm Furgos baldige Rückkehr als Anlass zur Hoffnung, als kehre mit ihm ein Stück Gewohnheit und Verlässlichkeit zurück, eine Sicherheit, die er seit jenem Morgen beim Acaeras Alamdil so schmerzlich

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