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Der vergessene Turm: Roman (German Edition)

Der vergessene Turm: Roman (German Edition)

Titel: Der vergessene Turm: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert M. Talmar
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gebügelt worden, und in der Frühe hatte er seine Haare und seinen Bart gestutzt. Er sah nun edel aus, weniger grimmig. Er wirkte vornehm, gütig, weise und bedeutsam, als wäre er selbst ein König der drei Menschenreiche. Er verneigte sich im Geviert der anwesenden Vahits, und ein zustimmendes Gemurmel antwortete ihm.
    »So wollen wir unsere Beratung beginnen, indem wir uns anhören, was Ihr uns zu sagen habt.« Der Vahogathmáhir setzte sich.
    »Ich werde tun, was in meiner Macht steht, um dem Volk der Vahits in seiner dunkelsten Stunde beizustehen!«, rief Circendil. Er zeigte zum Himmel hinauf und fügte hinzu: »Denn dunkel ist die Stunde wahrlich, auch wenn über unseren Köpfen die Sonne scheint. Weshalb, werden sich manche unter euch fragen, weshalb ist dieser Wrisilrhiob«   – er zeigte auf sich und machte eine Pause, in der er über seine eigene Bemerkung lächelte   – »weshalb ist dieser Dir aus dem sehr weit entfernten Vindland hierhergereist? Es muss einen gewichtigen Grund geben, sagt ihr euch, und wahrlich, ihr habt Recht, es gibt diesen Grund! Ich habe ihn mitgebracht und hierin all die Tage wohl verwahrt.«
    Er bückte sich und hob seinen geschlossenen Rucksack vor aller Augen auf den Tisch. Finn wechselte mit Mellow, der links von ihm saß, einen überraschten Blick. Mellow verzog sein Gesicht und drehte die Hände nach außen. Frag mich nicht . Circendil legte beide Hände auf den Sack, dachte aber nicht daran, ihn zu öffnen.
    »Lasst mich«, sagte Circendil in das aufgeregte Murmeln ringsum hinein, »lasst mich euch zunächst einen Überblick geben, worüber wir hier zu sprechen haben. Lasst mich dabei bei meinem Orden beginnen und euch verdeutlichen, was es mit ihm auf sich hat.
    Einst«, rief er und richtete sich dabei noch etwas gerader auf, »vor über 710 Jahren, als Vindland noch nicht gegründet ward und die Dreiteiligkeit noch nicht vollzogen, da lebte euer Volk eben da, wo wir noch heute leben: in den Landen unterhalb des Ringberges Nintobel, in jenen Gegenden, die damals Weallian hießen und die wir heute Vindland nennen. Weit im Osten, jenseits des Arutgebirges, an den Küsten des Nebelmeeres   … Es war damals eine Zeit der Unruhen und der Ungerechtigkeiten, und mancher, der eine Heimat hatte, musste sie verlassen. Wenn er dann woanders siedeln wollte, vertrieb er dadurch jene, die vor ihm dort wohnten. So kamen meine Vorfahren an den Nintobel, und sie vertrieben jene, die sich dann später Vahatin nannten. Obwohl sie es nicht wollten. Vielen geschah zu jener Zeit Unrecht. Damals gab es mehr Schwerter als Pflugscharen, und die Menschen waren zerstritten. In ihrer Angst taten sie einander Dinge an, die man zu anderen Zeiten nicht gemacht hätte.«
    Bei dem Wort Angst blickte Finn auf, und ihm direkt gegenüber, mit dem Rücken zum Gästehaus, saß Tallia neben Frau Amagata und sah unverwandt zu ihm herüber. Finn wäre am liebsten im Boden versunken und tat so, als mustere er in einem fort Circendils Rucksack, der kaum eine Armeslänge vor ihm auf dem Tisch lag.
    »Auch, als die Drei Königreiche gegründet waren«, fuhr Circendil unterdes fort, »und der Frieden besiegelt ward, herrschten immer noch Misstrauen und argwöhnische Vorsicht in den Herzen der Menschen, und gerade Vindland, als das kleinste der Drei Reiche, fürchtete die Stärke der beiden größeren Brüder.
    In dieser Zeit begründete ein Mann namens Daven den Orden, der noch heute seinen Namen trägt. Das Kloster, das er erbauenließ, sollte zwei Aufgaben übernehmen: Zum einen wollte Daven das Wissen der Menschen gesammelt sehen und es mehren, wo immer er es vermochte. Zum anderen gedachte er, großartige Kämpfer heranzubilden, die helfen würden, Vindlands geringe Macht gegen die stärkeren Reiche Revinore und Arelian auszugleichen. Ich darf sagen: Beiden Aufgaben ist unser Orden seit damals zu allen Zeiten gerecht geworden. Der Ruf meiner Ordensbrüder wuchs, und er wuchs schnell und wurde tatsächlich unvergleichlich. Unsere Kampfkunst entwickelte sich über das bloße Führen eines Schwertes weit hinaus. Es ist der Geist, der die Waffe führt; und seine Kräfte zu schulen war unser Anliegen. Bald stand der Name Daven in so hohen Ehren, dass ein mancher streitbarer Fürst schon erzitterte, wenn es hieß, nur ein Mönch sei gegen ihn ausgesandt worden. So gewährten und bewahrten wir den Frieden über siebenhundert Jahre.
    Um das Sammeln von Wissen indes war es schlechter bestellt. Viele, allzu viele

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