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Der vergessene Turm: Roman (German Edition)

Der vergessene Turm: Roman (German Edition)

Titel: Der vergessene Turm: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert M. Talmar
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vermisste.
    »Zunächst einmal«, sagte Herr Wredian, »danke ich vor allem anderen denen, die gestern Nacht unsere Straßen bewacht und verteidigt haben. Und ich bitte euch, meinen Dank und meine Anerkennung auch an jene Vahits weiterzuleiten, die heute nicht hierhergeladen wurden oder mit anderen Dingen beauftragt sind.
    Verteidigt, sage ich, obwohl es zu keinem Kampf in unseren Straßen gekommen ist. Aber der Feind war mitten unter uns, und zwei unserer Familien haben seine Anwesenheit mit dem Leben bezahlt. Kreko Reihers Räucherey ist, wie ihr wisst, bis auf die Grundmauern niedergebrannt. Keiner der Seinen hat überlebt, und auch er ist ein Opfer der Flammen geworden. Sein Nachbar Bolath, der Gerber, ist gleichfalls mitsamt seiner Familie getötet worden. Tod und Feuersbrunst in Mechellinde! In unseren Straßen! In unseren Häusern! Und damit nicht genug!«
    Seine Stimme wurde leiser, eine ungeahnte Müdigkeit schien ihn zu belasten, doch er fuhr fort.
    »Nein, damit nicht genug! Vahits sind aus Rudenforst geflohen, unter ihnen die Familie Rohrsang, die hier mit in unserer Runde sitzt. Nur wenige, die flohen, haben es überhaupt bis hierher nach Mechellinde geschafft. Und dass sie es schafften, ist allein dem mutigen Eingreifen zweier Vahits zu verdanken, die ich hier im Rat ganz besonders willkommen heißen will. Finnig Fokklin und Mellow Rohrsang, nehmt meinen Dank in unser aller Namen entgegen!«
    Er machte eine Pause und verbeugte sich in ihre Richtung; den letzten Satz hatte er wieder laut und mit voller Stimme gesprochen. Mellow und Finn standen auf und erwiderten die Verbeugung, ehe sie sich wieder setzten.
    »Doch noch«, fuhr Herr Wredian fort, »noch ist die Zeit der Ehrungen nicht angebrochen. Auch die Zeit der Trauer muss einstweilen warten. Wir werden unser aller Toten gedenken, das verspreche ich! Doch zunächst müssen wir an uns, die Überlebenden, denken. Wir müssen beratschlagen, wie wir uns schützen können. Ob wir uns schützen können. Das hat Vorrang vor allem Übrigen. Kekro und Bolath sind nicht vergessen. Wir werden uns ihrer und der anderen annehmen, sobald die Zeit dafür gekommen ist!«
    Er nickte schmerzlich zu einigen der Anwesenden hinüber, von denen Finn annahm, es handelte sich um Verwandte der Genannten. Niemand machte Anstalten, ihn zu unterbrechen.
    »Meine Freunde, etwas Ungeheuerliches ist geschehen, und damit meine ich nicht die Ankunft unseres neuen Verbündeten, des Herrn Circendil aus Vindland, Bote seines Königs und Medhir im Orden zu Daven. Seid auch Ihr aus vollem Herzen willkommen geheißen; willkommen in unserem Land und in unserer Mitte. Ihr habt bewiesen, dass Menschsein und Freundsein einander nicht ausschließen. Ihr habt Euer Leben für uns ein ums andere Mal aufs Spiel gesetzt und alles gewagt. Ohne Euch wären auch Finnig Fokklin und Mellow Rohrsang zum Scheitern verurteilt gewesen, und wir verdanken Euch vermutlich noch vieles mehr als nur das, was Ihr in aller Bescheidenheit erzähltet.
    Wenn ich hier von dem Ungeheuerlichen spreche, dann meine ich damit das Erscheinen eines wirklich und wahrhaftigen Feindes. Eines Feindes, wie ihn die Vahits in all ihren Jahren im Hüggelland weder kannten noch fürchten mussten. Denn es gab für uns keinen Grund zur Furcht, einfach weil es keinen Feind gab, der uns Übles wollte. Wir Vahits sind ein friedfertiges Volk. Oder soll ich sagen   – wir waren es?
    Diese glückseligen Zeiten, meine Freunde, sind unwiederbringlich vorüber. Sie sind verloren   – vielleicht aber doch noch nicht ganz und gar für immer. Noch habe ich Hoffnung. Auch, wenn sie dünn erscheint und wohl auch ist.
    Gestern Abend übergab ich Herrn Circendil kraft meines Amtes den Oberbefehl über die Vogtey, denn es galt, im Augenblick der Not auf denjenigen zu hören, der die größte Erfahrung besaß,derartiger Not zu widerstehen. Heute will ich der Bitte Circendils entsprechen und die Bürde des Amtes wieder von ihm nehmen und sie Herrn Gesslo zurückgeben. Doch ich hoffe inständig, Ihr werdet uns dennoch mit Rat und Tat zur Seite stehen, Herr Circendil!«
    Der Davenamönch erhob sich, und Finn bemerkte erst jetzt, dass der Mensch aus dem fernen Vindland schon die ganze Zeit über regungslos an seiner rechten Seite gesessen hatte.
    »Darauf erhaltet Ihr mein Wort, Herr Wredian«, sagte der Mönch. Er trug wieder seine übliche Kleidung. Eifrige Hände hatten sie in der Nacht gewaschen und am Feuer getrocknet. Hemd und Mantel waren

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