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Der vergessene Turm: Roman (German Edition)

Der vergessene Turm: Roman (German Edition)

Titel: Der vergessene Turm: Roman (German Edition)
Autoren: Robert M. Talmar
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Wozu die Sterne beobachten, die doch immer dieselben sind? Er ist ein verschrobener Vahit, das sage ich dir, und obendrein wohl nicht mehr der Jüngste. Wer weiß, was er wirklich gesehen hat? Vahits seines Alters sollten nicht in der Einsamkeit der Wälder leben, sondern daheim bei ihren Familien wohnen, wie es sich gehört.«
    »Er ist nicht allein!«, widersprach Finn. »Seine Frau Anselma ist bei ihm, wie du gerade selbst gelesen hast.«
    »Das sind Spitzfindigkeiten. Sie wird genauso alt und schrullig sein wie er, und schreckhaft sind sie gewiss alle beide. Wer ständig einsam lebt, fängt an, Gespenster zu sehen, so viel ist ja mal klar. Man kennt das ja. Krallenfüße, so ein ausgemachter Unsinn. Gut, ein Bär könnte es sein, der sich von den Bergen herab ins Hüggelland verirrt hat, wenn das Schaf wirklich gerissen worden ist; und Tatzenspuren wird er dann gesehen haben, wenn überhaupt. Doch Bären hat es schon lange nicht mehr im Hüggelland gegeben. Wahrscheinlich war das Schaf todkrank, hat sich im Wald verlaufen, und Füchse haben sich ihr Teil geholt. Das würde ich mal sagen.«
    »Wenn, vielleicht und würde!«, rief Finn erbost. »Banavred hat um die Entsendung von Landhütern ersucht, und er hat ein Recht darauf, dass jemand bei ihm nach dem Rechten sieht. Und dafür bist du da, denke ich!«
    Der Landhüter lugte erstaunt zu Finn hinauf. »Erwartest du etwa allen Ernstes, ich soll mich auf den weiten Weg zum Turm hinauf machen?«
    »In der Tat, dieser Gedanke ist mir gekommen.«
    »Du meinst, du kommst hier herein, wedelst mit diesem Schrieb da herum, erzählst mir etwas von irgendeinem toten Schaf, und ich springe unversehens auf und eile hinfort?«
    »Wenn nicht, wozu bist du dann da?«, fragte Finn völlig verblüfft.
    »Ich«, verkündete der Landhüter, dessen Namen Finn immer noch nicht kannte, »halte hier auf Befehl von Gauvogt Gesslo die Stellung. Ich kann nicht nur nicht weg, ich darf auch nicht fort.«
    »Meinetwegen. Dann schicke eben einen anderen Landhüter.«
    »Das geht nicht. Es ist niemand da.«
    »Es ist niemand da?« Finn starrte den dicken Vahit fassungslos an.
    »Offenbar sind deine Ohren schlechter als man es deinem Alter nach vermuten würde. Also, noch einmal für dich, Herr Störenfried: Außer mir ist niemand hier, weshalb ich die Stellung halten soll auf Befehl von …«
    »… Gauvogt Gesslo, ich weiß. Wo zum Kuckuck sind die anderen denn hin?«
    »Sie gehen ihren Pflichten nach. Mehr darf ich nicht sagen.«
    »Und was wird nun aus Herrn Banavreds Angelegenheit?«
    »Es ist, wie du sehr richtig bemerkst, Herrn Banavreds Angelegenheit. Und sie wird es auch bleiben, denke ich.« Er räusperte sich streng, schob den Stuhl zurück und erhob sich zu seiner vollen Größe. »So, und nun«, sagte der Landhüter, »wirst du mich entschuldigen. Ich habe noch einen Kuchen in den Ofen zurückzuschieben, solange der noch etwas Hitze gibt.«
    Finn klappte seinen offenstehenden Mund zu und wandte sich schon zum Gehen, da fiel ihm Konkhos Bemerkung wieder ein.
    »Nach allem bisher von dir Gesagtem nehme ich nicht an, dass dich das Verschwinden von zwei Rudenforster Kindern dazu bewegen könnte, von deinem Kuchen abzulassen?«
    Der dicke Landhüter beugte sich vor.
    »Was denn jetzt wieder für Kinder?«
    »Eine gewisse Giunda Blässner aus Rudenforst vermisst ihre beiden Kinder. Sie sollen im Wald verloren gegangen sein.«
    »Aha. Bist du mit ihr verwandt oder verschwägert?«
    »Nein.«
    »Aber bekannt?«
    »Nein, auch nicht. Aber ihr Schwager ist mein Nachbar, und der weiß es von Kuaslom Pfuhlig, einem der Postler des Obergaus.«
    »Und diese Kinder werden vermisst?«
    »Sagt Kuaslom.«
    »Also haben wir nunmehr eine dem reinen Hörensagen nach erteilte Vermisstenanzeige zweier angeblich verloren gegangener Kinder anstelle eines vermissten Schafes, aufgegeben von einem nicht am fraglichen Ort wohnhaften Vahit, der weder verwandt, verschwägert noch bekannt ist mit der mutmaßlichen Kindesmutter   – verstehe ich das richtig?«
    »Nein, ganz und gar nicht. Nicht anstelle eines Schafes, Herr Landhüter, sondern ebenfalls und in der fraglichen Gegend, wie du es nennen würdest. Rudenforst und der Alte Turm liegen nicht allzu weit voneinander entfernt.« Erst jetzt, da er es aussprach, fragte sich Finn, ob beide Ereignisse unter Umständen nicht tatsächlich etwas miteinander zu tun haben mochten.
    »Ich werde die Anzeige nachher notieren«, erklärte der Landhüter. »Jetzt
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