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Der vergessene Turm: Roman (German Edition)

Der vergessene Turm: Roman (German Edition)

Titel: Der vergessene Turm: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert M. Talmar
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zugleich, woher er die Ruhe dafür nahm. Sie haben mir einen Teil davon erspart.
    Alles um ihn herum schien zudem völlig still zu sein   – er hörte weder seine Schritte, die den Boden kaum berührten, noch das, was er am meisten gefürchtet hatte: das Schwirren eines durch die Luft wirbelnden Schwertes oder das Stampfen aufholender Gidrogbeine.
    Der Ahornstamm kam und blieb zurück, und als er unter dem Geäst des Baumes hervorkam, setzte mit einem Mal der gewohnte Ablauf der Dinge wieder ein. Ein Brüllen kam von der Seite, ein anderes von hinten. Er hörte sich selbst keuchen und Gatabaid in seinen Armen wimmern. Der Steintrog an seiner Linken flog vorbei, dann war er am Brunnen. Vor ihm baumelte der Eimer an seiner Kordel. Finn schwang sich auf die Brunnenmauer hinauf, zog den Eimer an der Kordel zu sich heran und stellte den rechten Fuß hinein. Mit der linken Hand hielt er Gatabaid, mit der rechten umklammerte er das Seil.
    Er konnte weder Mellow sehen noch einen seiner Feinde. Aber etwas setzte heran, budum, budum!, dröhnte es dumpf im Gras.
    Unter ihm gähnte das Brunnenloch, und er wusste, wenn er auch nur noch einen Moment zögerte, würde er den Mut verlieren, sich dem Seil und dem Eimer anzuvertrauen.
    Tu es einfach!, hallte etwas in seinem Kopf nach, und er gab sichmit dem linken Fuß einen Schubs. Der Eimer rutschte knirschend vom Brunnenrand. Gemeinsam sausten sie in die Tiefe.
    Wir stürzen wie ein Stein!
    So hatte Finn es sich vorgestellt. Doch es stimmte nicht, zumindest nicht ganz: Die Kurbelwelle über ihnen drehte sich, von der Kordel gezogen, wohl schnell, hatte aber doch eine nicht zu unterschätzende Bremswirkung auf den Fall der beiden. Die Kurbel war Banavreds Handarbeit, oder besser das, was er dafür hielt: Das Holz war nicht mehr als ein in der Mitte gebogener Ast, an dem er einen zweiten als Handgriff befestigt hatte. Durch die Biegung des Astes, in der das aufgerollte Seil Platz fand, drehte er sich nicht so schnell, als wenn er gerade und anständige hüggelländer Zimmermannsarbeit gewesen wäre. Es war, wie Mellow gehofft hatte: Die wippende Bewegung der Astkurbelwelle bremste ihren Fall, besonders am Anfang; und erst nach und nach nahm ihre Geschwindigkeit zu.
    Gleichwohl flogen die gemauerten Steine des Brunnenschachtes an Finns Augen nur so vorbei, bis die Dunkelheit alles schluckte und er gar nichts mehr sah, nicht einmal mehr die sprichwörtliche Hand vor Augen.
    Immer tiefer hinab ging es.
    Finns Magen hob sich und drückte gegen sein Zwerchfell, ließ ihm keinen Platz mehr zum Atmen.
    Im Brunnenschacht surrte das Echo wider von dem Geräusch des sich abspulenden Seils. Dann wurde es plötzlich kalt.
    Und noch ehe Finn richtig mitbekam, was geschah, platschte der Eimer im Wasser auf und überschüttete sie mit einem mächtigen Schwall.
    Die Flüssigkeit vermochte ihren Fall kaum zu bremsen. Sie tauchten vollständig unter, und für den Moment verlor Finn sein Gefühl für oben und unten. Und nicht nur das   – Finn verlor den Eimer und hielt sich eisern an der plötzlich gar nicht mehr steifen Kordel fest. Er fühlte keinen Grund unter sich und begann, in den schwappenden Wellen unwillkürlich Wasser zu treten   – und das auszuspucken, was ihm in Mund und Nase geraten war. Gatabaidhatte aufgehört zu wimmern und lag jetzt still in seinem Arm. Er zog sich ein Stück an der Kordel nach oben, sodass ihr Kopf über dem eiskalten Wasser blieb. Das gestaltete sich gar nicht so einfach, denn ein wenig Seil lief noch nach, ehe weit über ihnen die Kurbel zum Stillstand kam. Finn sah hinauf, doch außer einem matten Schimmer vermochte er nichts mehr zu erkennen. Sie mussten sehr tief gefallen sein, denn die verschwommene Öffnung weit über ihm schien nur noch klein und viel weiter entfernt, als er gehofft (oder gefürchtet) hatte.
    Stimmen schrien unverständliche Worte, die im Brunnenschacht verhallten.
    Das Wogen und Schwappen des Wassers ließ nach, aber es verebbte nicht vollständig; es gurgelte und blubberte und prustete und gluckste von allen Seiten, und die Brunnenwände nahmen jedes Geräusch auf und verstärkten es. Wieder ertönten wütende Stimmen, doch was sie sagten, erreichte Finns Ohren nicht.
    So, dachte er frierend, da wären wir. Lass es uns erst einmal bis dahin schaffen.
    Jetzt waren sie hier, sie hatten es wider allen Erwartens geschafft, doch Finn hatte zu seinem Entsetzen noch immer nicht die leiseste Idee, wie es weitergehen sollte. Wie lange kann ich

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