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Der vergessene Turm: Roman (German Edition)

Der vergessene Turm: Roman (German Edition)

Titel: Der vergessene Turm: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert M. Talmar
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Und hoffte, die auffliegende Staubwolke würde seine Sicht behindern. Dann lief ich zum Steintrog und sah dich vor mir im Brunnen verschwinden. Hätte ich jetzt versucht, ebenfalls hineinzuklettern, hätte mich das sich abspulende Seil in die Tiefe gerissen. Und Udrak rannte obendrein auf den Brunnen zu wie ein wild gewordener Borstler.
    Also rannte ich weiter. Am Stall vorbei zunächst. Dann schlug ich abermals einen Haken und rannte in den Aufgang des dortigen Mauereckturms. Die Wendeltreppe mit ihren viel zu hohen Stufen hielt mich auf, aber ich kletterte voller Furcht hinauf, so rasch ich es eben vermochte, und plötzlich stand ich vor dem Ausgang zur inneren Wehrmauer.
    Nicht hier, riet mir mein Gefühl. Ich lief darum weiter, kletterte noch ein Stück höher und erreichte den Ausgang zur äußeren Wehrmauer. Unten sah ich jetzt einen zweiten Gidrog am Brunnen; ich vermute, es war der, der das Tor bewachen sollte. Udrak rief ihn, und auch er rannte zu dem Eckturm, in dem ich mich befand. Von weiter hinten ertönte in diesem Moment ein ganz und gar entsetzlicher Schrei, der jäh verstummte: Ich fürchte, ich habe mit angehört, wie sie Banavred erschlugen. Doch blieb mir keine Zeit, darüber nachzusinnen. Ihn zu retten, das hätten wir nichtvermocht; und du weißt, dass er es wusste, noch ehe er   – ich meine, noch ehe er Anselma für immer verlor und alles.
    Doch lass mich weiter berichten: Es wurde jetzt sehr schnell dunkel; aber noch gab es genug Licht, um ein paar Schritte weit zu sehen. Ich befand mich wie gesagt auf der äußeren Wehrmauer. Rechts von mir schimmerte der Acaeras. Zu meiner Linken, jenseits der Mauerzinnen, rauschte der Wirrelbach, irgendwo unerreichbar weit in der Tiefe. Aber ein Stück weiter vorn und rechts unter mir lehnte das Halbdach des Stalls an der Mauer. Vom Mauerrand bis zum höchsten Punkt des Daches war es vielleicht fünf Mannslängen tief. Ich wäre sie gesprungen, wenn ich gewusst hätte, dass Banavreds behelfsmäßiges Dach meinen Sprung aushalten würde. So zog ich lieber den Strick aus der Tasche, den ich mir im Verlies eingesteckt hatte; ich nahm ihn doppelt, warf ihn über eine der Zinnen und kletterte an der Innenseite der Mauer hinab.
    Keinen Augenblick zu spät, denn die beiden Gidrogs erschienen am Ausgang des Mauerturms auf den Wehrgang, als ich eben das Dach erreichte. Sie hörten wohl noch, wie ich den Strick zu mir herabzog, aber sie sahen mich nicht, denn ich drückte mich eng an die Mauer in den Schatten. Ich hörte sie tuscheln, vielmehr grunzen. Sie liefen noch ein Stück den Wehrgang entlang, ehe sie umkehrten und wieder im Eckturm verschwanden. Vom Dach auf das Gras im Hof wagte ich nicht zu springen; aber ich ließ mich an der Kante hängen und dann einfach fallen, und so ging es. Ich habe jetzt zwar zwei aufgeschürfte Knie mehr als vorher, aber dafür auch einen Kopf mehr, als mir Saisárasar lassen wollte.
    Geduckt eilte ich zum Brunnen und sah jetzt, wie die Gidrogs auch auf der inneren Mauer nach mir suchten. Für den Moment schien der Innenhof verlassen, aber ich hörte Rufe in ihrer Grunzsprache; sie kamen von dem Torbogen, der zu Anselmas Garten führt. Ich hatte keine Zeit zu verlieren und richtete mich am Brunnen auf. Leise kletterte ich auf der abgewandten Seite hinein und hangelte mich am Eimerseil nach unten.
    »Aber das Seil riss doch und fiel in den Brunnen!«, warf Finn ein.
    »Es riss nicht   – sie schnitten es entzwei«, erwiderte Mellow. »Ich hörte sie kommen; sie murrten Worte in ihrer abscheulichen Sprache, wohl weil sie mich nicht gefunden hatten, und es werden gewiss Flüche gewesen sein. Da ich annahm, dass mich die Schwingungen des Seils, an dem ich hing, verraten würden, beschloss ich, es gänzlich zu verlassen und an seiner Stelle in den Griff- und Trittmulden hinabzusteigen. Dazu musst du wissen, dass die Mulden nicht unmittelbar am Brunnenrand, sondern erst sieben oder acht Klafter tiefer beginnen. Von oben kannst du sie nicht sehen, und ich denke, mit Absicht nicht. Vielleicht haben sie früher Leitern verwendet, die sie in den Brunnen hängten, um die Stufen so zu erreichen. Jedenfalls glaube ich nicht, dass jemand außer uns beiden weiß, dass diese steinernen Steighilfen vorhanden sind. Wie ich schon erwähnte   – die Baumeister der Dirin sind mit Verstand zu Werke gegangen: Ihr Fluchtweg sollte nicht offen zutage liegen.
    Ich griff also in die Mulden und hielt mich fest, ohne mich weiter zu bewegen. Um keinen

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