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Der vergessene Turm: Roman (German Edition)

Der vergessene Turm: Roman (German Edition)

Titel: Der vergessene Turm: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert M. Talmar
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fröstelte. Er lag auf dem kalten Felsenboden zwischen hüfthohen Steinen, die sich über den Boden der Höhle verstreuten; viele von ihnen waren mit Moos und Flechten überzogen und schimmerten darunter weißlich. Das Dach der Höhle war höher, als er es vermutet hatte: Sechs oder sieben Vahits hätten sich aufeinanderstellen können und hätten es doch nicht mit ihren Händen erreicht. Vorsichtig, um Gatabaid nicht zu wecken, schälte er sich unter dem Mantel hervor und richtete sich auf. Jeder Knochen tat ihm weh. Und noch immer waren seine Kleider feucht.
    Mellow lag, die Beine eng an den Leib gezogen, ein paar Schritte von ihm entfernt. Erst jetzt fiel Finn wieder ein, dass sie abwechselnd hatten wachen wollen. Entweder hatte Mellow ihn und das Mädchen schonen wollen, oder er war schlicht eingeschlafen.
    Das Wasserrauschen, das in der Finsternis der Nacht die Höhle erfüllt hatte, war jetzt seltsamerweise weniger laut, aber immer noch vorhanden. Finn ging in den hinteren Bereich der Höhle, lauschte an der letzten Treppe, doch alles blieb still, außer einem gelegentlichen Tropfen, der auf irgendeinen Vorsprung pitschte. Danach kehrte er zu den schlafenden Vahits zurück, stieg über ein paar Steine und sah sich um.
    Einige Schritte vor ihm gähnte der Abgrund, und aus seiner Tiefe drang das Wasserrauschen herauf. In der Nacht hatten sie sich nicht getäuscht: Er war etwas mehr als sechs Klafter breit und zerschnitt die Höhle in zwei Teile. Der jenseitige Rand befand sichauf der gleichen Höhe wie der hiesige; und dahinter weitete sich die Höhle zu einer Felsenkuppel, die größer war als fünf oder sechs hüggelländer Scheunen und hoch wie die Hel in Vahindema. Der Ausgang befand sich rund sechzig Klafter vom Rand des Spalts entfernt: ein Halbrund aus weißlichem Stein. Finn konnte dahinter einen Hang erkennen, der dicht mit Tannen und Föhren bewachsen war. Die ersten Bäume wuchsen fast bis in den Höhleneingang hinein und verbargen ihn zum großen Teil mit ihren Ästen. Nur über ihre Wipfel und zwischen den Tannenwedeln sickerte Licht herein und verriet den beginnenden Tag. Vögel zwitscherten, und tastende Sonnenstrahlen fielen von links durch die Bäume. Es roch wie nach einem nächtlichen Gewitter; und Finn sehnte sich danach, in den Wald hinauszulaufen und auf der nächstbesten Lichtung die Wärme der Sonne wieder auf seinem Gesicht zu spüren.
    »Und genau hier beginnen die Schwierigkeiten«, sagte er leise.
    Der Spalt war an keiner Stelle schmaler oder breiter als die sechs Klafter. Der Abgrund reichte von der einen zur anderen Höhlenseite, und es gab an beiden Seiten kein Gesims oder auch nur einen schmalen Grat, an dem entlang sie sich über die Kluft hätten hangeln können. Die senkrechten Wände der Spalte fielen ins Bodenlose. Nur ein einzelner Felsendorn ragte auf der Mitte ihrer Seite knapp drei Fuß unterhalb des Randes in den Spalt hinaus; zwei Fuß weit, schrundig wie ein abgestorbener Ast und über und über mit Moos bewachsen. Finn hörte wohl das rauschende Gurgeln, aber er sah keinen unterirdischen Fluss oder überhaupt etwas; er konnte in dem Schlund nichts erkennen außer dunstigen Schatten, die in der Tiefe verschwammen.
    Der felsige Boden in der Mitte der Höhle war an beiden Rändern der Spalte eben und frei von Geröll. Ein wenig Moos wuchs hier in Ritzen und Riefen, das war alles. Nirgendwo sah Finn die Überreste einer Brücke oder auch nur Stellen, an denen einst Ösen befestigt waren, um eine Hängebrücke zu tragen.
    Kein ausgewachsener Vahit vermochte sechs Klafter weit zuspringen, von einem Kind ganz zu schweigen. Vielleicht hätte ihnen Mellows Strick helfen können, doch der war vollständig verbrannt.
    Ob Menschen mit ihren langen Beinen so weite Sprünge machen können?, fragte Finn sich. Er stellte sich Saisárasar vor, der in seinen Stiefeln Anlauf nahm, mit dem langen Schwert an seiner Seite und dem schweren Mantel über den Schultern, und er bezweifelte es. Mit Sicherheit hatte es hier einst eine hölzerne Brücke gegeben, sagte er sich. Aber nachdem die Menschen Benutcanes das Hüggelland wieder verlassen hatten, war alles, was sie zurückließen, so es nicht aus Caeraban bestand, vom Zahn der Zeit benagt und irgendwann restlos verschlungen worden.
    »Es darf einfach nicht wahr sein«, murmelte er, an seiner Unterlippe kauend. »Wir sind erneut gefangen. Wir können nicht hinaus. Und zurück erst recht nicht. Nicht vor und nicht zurück.«
    »Nun, ein Weg

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