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Der vergessene Turm: Roman (German Edition)

Der vergessene Turm: Roman (German Edition)

Titel: Der vergessene Turm: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert M. Talmar
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Augenblick zu früh; denn einer der beiden nahm sein Schwert und hieb damit ein paarmal wütend auf das Seilgestänge ein. Das gekappte Ende rauschte an mir vorbei in die Tiefe, und sie glotzten ihm nach, bis man es irgendwann aufschlagen hörte. Der eine trug eine Fackel, und ich sah ihre Gesichter über mir am Brunnenrand, voller Angst, sie würden mich gleichfalls sehen. Aber ich war glücklicherweise schon weit genug in die Dunkelheit geklettert, und so wandten sie sich endlich ab und gingen schmatzend und grunzend davon.
    Den Rest weißt du: Ich kletterte tiefer und tiefer, und das mit zweierlei Hoffnung im Herzen   – zum einen, du mögest noch am Leben sein, und zum anderen, dass der Tunnel, von dem ich ja nur annahm, es gäbe ihn, wirklich dort war, wo ich ihn vermutete: dicht beim Wasser, aber nicht unter Wasser. Alles, was ich zu beachten hatte, war, nicht fehlzutreten oder zu greifen; und so hangelte ich mich nach unten, bis ich dich endlich fand.«
    Mellow musterte mit besorgter Miene den allzu schnell verglimmenden Strick.
    »Komm weiter«, drängte er leise. Im schwankenden Schimmer des kokelnden Endes sahen sie zwar kaum weiter als bis zu ihren Fingerspitzen, aber Finn war mehr als dankbar für dieses geringe Licht. In völliger Dunkelheit wären sie hilflos in diesem Gang herumgeirrt; schon die Vorstellung jagte ihm eine Gänsehaut über den Rücken. Und tatsächlich wären sie verloren gewesen, wie sich wenig später zeigen sollte.
    »Der arme Herr Banavred«, meinte Finn nach einer Weile mit mehr als einem dicken Kloß im Hals. »Meinst du, das alles wäre anders gekommen, wenn ich achtsamer gewesen wäre und so den Brief nicht unter dem Tisch verloren hätte?«
    »Wäre es das   – anders gekommen? Schon als Banevred den Brief schrieb, müssen Saisárasar und seine Spießgesellen in der Nähe des Acaeras gewesen sein. Wäre er gleich mit Anselma fortgegangen, wäre Saisárasar doch gekommen und hätte seine Vogelreiter ausgeschickt, das Hüggelland auszuspionieren. Nur mit dem Unterschied, dass wir noch nichts von der Gefahr wüssten, in der wir schweben. Sieh es einmal so: Weil der Brief verloren ging, mussten Anselma und Banavred sterben, das stimmt; und ich schäme mich meiner Tränen nicht, wenn ich daran denke, wie sie sterben mussten. Aber aufgrund dessen wissen wir überhaupt erst, was hier vor sich geht. So sind wir wenigstens vorgewarnt. Deshalb müssen wir jetzt so schnell wie möglich zurück, und die Vahits wachrütteln. Doch warte: Was ist das?«
    Sie waren unwillkürlich stehen geblieben.
    Sie standen jetzt in einer Art Durchgang: Der Fels weitete sich plötzlich zu einem breiteren Raum oder besser einer Höhle, und der Gang, dem sie bisher gefolgt waren, endete. Der Hohlraum war nicht groß; er erschien ihnen nur so nach der Enge des Tunnels, in dem sie nur dicht nebeneinander hatten gehen können. Es gab eine Reihe von Nischen in den glatten Wänden, in denen sich leere Schränke oder Halterungen für Waffen befanden: was immer hier gelagert haben mochte, war fortgenommen worden oder längst zu Staub verfallen. Doch nicht einmal mehr den sahen sie, denn einstärkerer Luftzug strich durch die Höhle, und aller Staub war fortgeweht worden.
    Ein quer zu ihrer bisherigen Richtung verlaufender Spalt teilte die Höhle in zwei ungleiche Teile. Glücklicherweise war er nicht mehr als anderthalb Vahitschritte breit, und sie konnten ihn ohne Not überspringen. Ein Blick zeigte, dass er in unergründliche Tiefen hinabreichte, und ohne ihr mattes Licht wären sie ahnungslos hineingetappt.
    Mellows Strick war jetzt bis auf ein kurzes Stück verschwelt. Sie suchten eine Weile, bis sie am gegenüberliegenden Rand der Höhle hinter einem Vorsprung einige in den Fels gehauene Stufen fanden. Sie folgten ihnen hinab und wieder hinauf und in der Folge durch viele kleinere Höhlen, die der Treppengang miteinander verband. Nach einer Weile hörten die abwärtsgerichteten Stufen gänzlich auf. Fortan ging es nur noch nach oben. Zwischen einzelnen Stufenabschnitten folgten sie meist kurzen, geraden Gängen über unebenen, schrundigen Fels. Noch zwei Mal sprangen sie über scharfkantige Spalten; die zweite und bisher breiteste davon mussten sie gar mit Anlauf nehmen.
    Immer höher stiegen sie, mal links-, mal rechtsherum, dann wieder geradeaus, ehe die Stufen zu Ende waren und sie in einer weiteren Höhle standen, deren Luft frischer war und wärmer. Es duftete nach Nacht und nahen Tannen und

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