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Der vergessene Turm: Roman (German Edition)

Der vergessene Turm: Roman (German Edition)

Titel: Der vergessene Turm: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert M. Talmar
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seid Ihr?«, fragte er aufgebracht. »Und was schleicht Ihr Euch an uns heran?«
    Der fremde Mensch neigte den Kopf leicht zur Seite. Er ließ seinen Blick über ihre kleine Gruppe schweifen. Scharfe, blaugrüne Augen, denen nicht die geringste Kleinigkeit entging, musterten sie ausführlich. Finn erschauerte vor ihrer Farbe, die er noch nie zuvor im Auge eines Lebewesens bemerkt hatte. Die drei Vahits wagten kaum zu atmen.
    Als habe sich sein Besitzer ein Urteil gebildet oder aber Fragen entdeckt, die unbeantwortet blieben, hoben sich die Brauen in dem kantigen, wettergegerbten Gesicht. Es war von braunen, schulterlangen Haaren umgeben, in denen dünne, hellgraue Strähnen auf ein nicht mehr ganz junges Alter schließen ließen.
    »Ehe ich meinen Namen nenne, verratet mir die euren.« Seine Redeweise war fremd, vielleicht fremder noch als sein Aussehen. Er sprach Caeredwaine, aber von sonderbarer Art. Es erinnerte Finn ein bisschen an das zahnlose Genuschel der ältesten Vahits, die er kannte, und doch wieder nicht. Er betonte die Worte anders, und während die Vahits in einem meist fröhlichen Singsang daherredeten, klangen seine Silben dumpfer und irgendwie auch   … trauriger. Selbst die breite Tanninger Mundart, die im Hüggelland oft ein Grund für Scherze war, klang gegen seine Form der Aussprache rein und klar wie das beste Buogga-Caeredwaine, das Schrifthüggelländisch, dessen sich die Gilde bediente und dessen Bewahrung sie sich streng verpflichtet fühlte.
    »Ihr werdet es nicht erleben, dass ein Vahit Verrat begeht!« fauchte Mellow zurück. »Und sei es nur der Verrat von Namen! Nennt uns zuerst den Euren!«
    Der vor ihnen aufragende Dir war so groß wie Saisárasar, aber alles andere an ihm unterschied ihn. Seine Haut war unter einer Spätsommerbräune weiß, viel heller als der samtene Ockerton der Vahits, wie sie an seinen Ärmelausschnitten sehen konnten. In seinem Gesicht spross ein Bart, dessen Länge einen wochenlangen Aufenthalt in der Wildnis bezeugte. Auch er trug einen Mantel, doch einen von tannengrüner Farbe. An den Schultern, den Ärmeln und über den Oberschenkeln war der seine mit Lederbesätzen verstärkt. Darüber trug er einen weiten, leichteren Überwurf, der wie die Umhänge der Vahits geschnitten war. Auf seinem Rücken lag eine jetzt zurückgeworfene Kapuze aus dem gleichen, buschfarbenen Tuch. Die fleckige Hose, die aufgescheuerte Weste, selbst das darunter hervorlugende Hemd zeigten Spuren fortgeschrittener Abnutzung; ihr Grün war von der Sonne ausgeblichen oder von Regengüssen ausgewaschen. Seine übrige Ausrüstung bestand aus dunkelbraunem, fast schwarzem Leder: die kniehohen Stiefel, der breite Gürtel und das gefütterte Wams, das unter dem Mantel sichtbar war. Aus einem Wehrgehänge an seiner rechten Hüfte ragte der verzierte Griff eines Dolches; eine abgeschabte leere Lederscheide baumelte an seiner Linken.
    Der Mensch nickte zu Mellows mutigen Worten. Er blickte grimmig, aber nicht unfreundlich zu ihnen herunter. Die Fäuste in den fingerlosen Handschuhen ruhten nach wie vor auf dem Griff seines Schwertes, das mit der Spitze im Waldboden steckte.
    »Niemals nenne ich irgendwelchen durch die Wildnis laufenden Fremden meinen Namen, es sei denn, sie nennen ihren zuvor!«
    »Und wir«, versetzte Mellow, »verschweigen unsere Namen jenen gegenüber, die heimlich genau durch diese Wildnis schleichen, Herr Dir!«
    »Wer immer Ihr seid, Herr Vahatir, eines muss ich Euch lassen   – Ihr seid zweifellos mutiger als groß!«
    »Und Ihr bringt Euch in den Verdacht, größer zu sein als Euer Mut reicht, denn Ihr verschweigt Euren Namen noch immer. Nennt ihn jetzt, oder begebt Euch dahin zurück, woher Ihr gekommen seid! Ich vermute sehr, Ihr werdet dabei Schleichen dem Gehen Vorzug geben.«
    Der Mensch sah sichtlich erstaunt von einem zum anderen. Plötzlich lachte er auf.
    »Schleichen, sagt ihr? Na, wenn bewegungsloses Verharren im Wald neuerdings Schleichen ist, dann bin ich wohl geschlichen, nehme ich an. Ihr dafür seid den Hang heruntergetrampelt wie eine Rotte Frischlinge, die leichtsinnig herumtollen. Von knackenden Ästen will ich gar nicht reden. Eure Stimmen verrieten euch noch vor euren Füßen. Und ihr habt dabei meinen Weg gekreuzt, nebenbei gesagt. Es war von Rechts wegen zuerst an mir , euch zu fragen, wer ihr seid, jedenfalls nach den Regeln der Höflichkeit, die in meinem Lande gelten.«
    Jetzt mischte Finn sich ein: »In Eurem Lande, sagt Ihr, ja?«
    Er

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