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Der vergessene Turm: Roman (German Edition)

Der vergessene Turm: Roman (German Edition)

Titel: Der vergessene Turm: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert M. Talmar
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vor der Wand, hinter der sich ein Schornstein verbarg. Ein zerknülltes Stück schwarzen Tuchs war darübergeworfen. Dann aber bemerkte Finn, dass vor einem geöffneten Schrank ein Paar Pantoffel unordentlich auf dem Boden lag und dass der Schrank selbst von grober Hand zerwühlt worden war.
    Kleider, die ohne Zweifel Anselma gehörten, hingen heraus. EinKerzenhalter auf dem kleinen Tisch war umgefallen. Auch hier fanden sie verschmierte Flecken getrockneten Blutes, doch keine deutlichen Abdrücke wie unten. Sie sahen sich ratlos an. Dann wandten sie sich um und verließen den Raum.
    Auf halber Höhe der Treppe blieb Mellow plötzlich stehen. Er drängte sich an Finn vorbei wieder nach oben und griff nach dem dicken schwarzen Tuch auf dem Sessel. Er schlug es auseinander, und obwohl er es so hoch hielt, wie er nur konnte, war es länger als Mellows Gestalt, selbst mit ausgestreckten Händen.
    »Ist das ein Mantel?«, rätselte Finn, der wieder mit nach oben gekommen war.
    »Ja«, pflichtete Mellow ihm bei. »Aber nach fremder Art, wenn du mich fragst. Es ist keinesfalls der Umhang eines Vahits. Und schwer ist er dazu wie ein Sack Mehl!«, schnaufte er. »Sieh hier: Schlaufen für einen Gürtel, verstärkte Umschläge und aufgenähte metallene Ringe. Dazu das Gewicht und die Länge. Kein Vahit würde so etwas mit sich herumschleppen, ganz sicher nicht. Er gehört einem der Großen Leute, oder ich verspeise meinen Hut.«
    »Wenn du Recht hast   – warum hat er ihn hiergelassen?«
    Mellow hob die Achseln, ließ sie wieder fallen und warf den Mantel auf den Sessel zurück. Die Ringe klirrten leise. »Vielleicht, weil er ihn nicht mehr brauchte?«
    »Das, oder   – weil er nur kurz fort ist?« Finn begriff seine eigenen Worte erst, als er sie hörte.
    »Und er ihn holen wird, sobald er ihn braucht, meinst du?«
    Beide blickten sich an, als wäre es höchste Zeit, zu verschwinden.
    Sie drehten sich um und liefen gegen etwas, das eben noch nicht dort gestanden hatte. Sie prallten zurück. Eine dunkle Gestalt auf der Treppe versperrte ihnen den Weg. Sie war groß und breitschultrig. Nicht nur ihre Kleidung war schwärzlich, sondern auch das hagere Gesicht. Es war umrahmt von langen, strähnigen, pechschwarzen Haaren. Die Gestalt bewegte sich vollends die Treppe herauf und hörte scheinbar nicht auf zu wachsen. Erst jetzt sah Finn das furchterregend lange Schwert in der Rechten. Dannwar die Gestalt vollends im Zimmer. Ein eisiges Lächeln zog über das Gesicht, das sie überhaupt nur erkennen konnten, da sie ihren Kopf weit in den Nacken legten.
    In dem dunklen Antlitz schimmerten gelbliche Zähne, als der Mund sich öffnete und sagte: »So, ihr wolltet also meinen Mantel stehlen?«
    Ein beängstigend dicker und langer Arm langte zum Sessel und ergriff den schweren Umhang so beiläufig, als wöge er nichts.
    »Und dabei ist es doch so kalt geworden in Uvaithlian. Findet ihr nicht?«
    Wenn etwas kalt ist, dann ist es diese Stimme, durchzuckte es Finn. Sein Herz raste. Es schlug bis zum Hals. Er zitterte, als ob er fröstelte.
    Ob aus Angst oder Überraschung, ob aus Schrecken oder dem jähen Wissen um die Bösartigkeit, die ihm gegenüberstand   – wie angewurzelt stand er jedenfalls da. Es war, als ob eine lähmende Kraft ihn niederdrückte. Er vermochte nicht, sich zu bewegen. Oder etwas zu sagen. Oder irgendetwas zu tun.
    Die Gestalt hob die Schwertspitze an und führte sie unter Finns Kehle. Der wagte nicht mehr zu atmen. Er spürte, wie die scharfe Schneide seine Haut ritzte, und hatte das Gefühl, dass ihm Blut in den Hemdkragen rann.
    »Ihr seid beide des Todes«, hörte er den Dunkelgesichtigen wie aus einem Nebel heraus sagen. »Aber das wisst ihr sicher längst.« Im nächsten Moment flog der schwarze Mantel über ihre Köpfe. Blind und nach Luft ringend fühlten sie sich gepackt und fortgeschleift. Der eiserne Griff des Dunklen war erbarmungslos. All ihr Zappeln und Schreien unter dem dicken, muffigen Stoff half ihnen nichts. Es brachte sie nur einer Ohnmacht nahe.

6 . KAPITEL
    Saisárasar
    D ER EISERNE G RIFF DES Schwarzen, dazu der muffige Mantel, der Finn und Mellow wie ein finsterer, undurchdringlicher Sack umfing   – schon bald befürchteten sie, an beidem zu ersticken. Sie sehnten den Moment herbei, da der Umhang endlich von ihnen genommen würde. Und doch ahnten sie, dass dann ihr letztes Stündlein geschlagen haben würde, und sie fürchteten diesen Augenblick umso mehr.
    Wohin der Dunkle sie

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