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Der vergessene Turm: Roman (German Edition)

Der vergessene Turm: Roman (German Edition)

Titel: Der vergessene Turm: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert M. Talmar
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schleppte, wussten sie nicht.
    Sie sahen nichts und hörten nur wenig. Die Treppe hinunter ging es, gewiss, und wohl auch aus dem Haus hinaus. Aber wenig später ging es wieder in die Höhe, und abermals hinab; erst über harten Grund, dann auf dumpfen Bohlen, dann erneut über knirschenden Stein. Endlich meinten sie, Stimmen zu hören. Eine fremde Sprache, wenn es denn eine Sprache war, klang es doch wie stoßweise hervorgewürgtes Grunzen. Aber der Mensch, der sie trug, antwortete im gleichen Ton. Daraufhin wurde etwas um sie und um den Mantel herumgebunden, bis sie nicht einmal mehr zappeln konnten. Dann nahm jemand anderes sie auf; mit noch härterem Griff wurden sie gepackt, und abermals schleppte man sie fort.
    Gerade, als Finn meinte, sein nächster Atemzug würde zugleich sein letzter sein, weil sie die Luft unter dem Tuch restlos verbraucht hatten, warf man sie grob zu Boden. Einige Worte fielen. Etwas polterte. Eine Tür schlug zu. Ein Riegel kreischte. Dann Stille.
    »Finn?« Mellows Stimme war schwach und unter dem Tuch kaum zu verstehen.
    »Ja?«
    »Kannst du dich bewegen?«
    »Ein wenig die Hände. Die Arme sind mir eng an den Leib geschnürt.«
    »Bei mir auch. Und deine Beine?«, stellte Mellow die nächste Frage.
    »Zusammengebunden, aber nicht ganz so fest.«
    »Meinst du, du kannst sie durch Strampeln lockern?«
    »Vielleicht. Aber ich kriege kaum Luft.«
    »Es wird nicht besser, wenn wir nicht aus diesem Mantel herauskommen.«
    »Na gut, ich will es versuchen.«
    »Finn?«
    »Ja, Mellow?«
    »Versuch niemals etwas. Sonst wirst du scheitern. Tu es einfach, hörst du?«
    Finn schluckte eine Antwort hinunter. Er begann, seine Beine zu strecken. Es kostete Kraft, und er rang nach Atem, aber nachdem er ein paar Mal wütend ausgetreten hatte, konnte er die Knie mit mehr Spielraum bewegen als vorher.
    »Etwas lockert sich«, stellte Mellow erfreut fest. »Lass uns gemeinsam drücken. Halt, was war das?«
    »Was meinst du?«
    »Etwas hat mich berührt. An der Schulter. Da! Schon wieder!« Mellow schüttelte sich trotz der Fesseln und des Mantels. »Finn? Sag schon   – sind das etwa Ratten?« Finn meinte leise Panik aus der Stimme seines Gefährten herauszuhören. Mit einem Mal erinnerte er sich wieder an Mellows abgrundtiefen Abscheu vor den langgeschwänzten Nagern. Eines Winters waren sie wegen eines Streiches von Herrn Ludowig zu einer gemeinsamen Strafarbeit verdonnert worden. Sie hatte darin bestanden, im Keller der Bücherey nach den Rattenfallen zu sehen. Mellow hatte sich kaum überwinden können, auch nur einen Schritt weit die Treppe zu verlassen; schweißüberströmt und bleich wie ein Geist hatte er nur dagestanden und Finn angeekelt zugesehen.
    »Sie können dir durch den dicken Mantel doch gar nichts tun!«, versuchte er den Freund zu beschwichtigen.
    »Erzähl das den Ratten! Da! Schon wieder!«
    »Lass uns einfach den Mantel abstreifen, dann kannst du es ihnen selber sagen.«
    »Nur ruhig!«, hörten sie auf einmal eine fremde Stimme. »Haltet still.«
    Jetzt spürte auch Finn, wie etwas sie berührte. Unsichtbare Hände nestelten an dem Strick. Knoten wurden gelöst, Schlingen gelockert, und plötzlich fielen die Bande. Nach Luft schnappend und schweißgebadet tauchten die beiden Vahits unter dem Mantel hervor.
    Düsternis und feuchte Kälte umgab sie, und obwohl der Umhang von ihren Köpfen genommen war, konnten sie zunächst kaum etwas erkennen. Caeraban, wohin sie blickten   – grauschimmernde Steinwände, die endlos in die Höhe strebten. Irgendwo oben verliefen schmale, senkrechte Spalte, durch die weit über ihren Köpfen eine Ahnung von Licht fiel.
    »Willkommen in meinem bescheidenen Heim«, sagte die Stimme von eben, und jetzt erst sahen sie einen alten Vahit neben sich in der Dunkelheit sitzen. »Und entschuldigt die gegenwärtigen Umstände. Es   … ach je.«
    »Herr Banavred?«, fragte Finn, dem die Stimme allmählich bekannt vorkam. »Bist du das?«
    »Jawohl, mein Junge. Und du bist Finn, Furgos Sohn, ja?«
    »Richtig. Und das hier ist Mellow Rohrsang, einer unserer Landhüter.«
    »Ein Landhüter! So ist mein Brief doch noch beachtet worden! Mein flehentliches Bitten wurde also erhört! Ich dachte schon   – aber einerlei. Wo sind die anderen?«
    »Die anderen, Herr Banavred?«, fragte Mellow.
    »Ja, die anderen«, drängte der alte Vahit. »Natürlich die anderen. Die übrigen Landhüter. Bauersleute, meinetwegen. Die Verstärkung! Die, die mit euch kamen. Ihr

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