Der verhängnisvolle Urlaub
hinkommen.«
»Werdet ihr auch!«
»Laß nur mal die Zeiten schlechter werden …«
»Ja, dann –«
Paul Fabrici brach ab. Der Spott in den Worten seiner Tochter war zu deutlich. Sein Blick wechselte von ihr zu seiner Frau, als sei von dieser Beistand zu erwarten. Doch das war ein Irrtum, Mimmi Fabrici schwieg, sie wußte, daß die Entscheidung schon gefallen war. Außerdem benötigte sie derzeit ihr inneres Kräftepotential nicht für solche Konflikte, sondern für ihre Auseinandersetzung mit den großen russischen Schriftstellern. Wie so oft mußte also Paul Fabrici erkennen, daß er alleinstand.
»Hat ja keinen Zweck«, sagte er, winkte mit der Hand, faltete seine Zeitung zusammen, erhob sich, obwohl er erst halb gefrühstückt hatte, steckte die Zeitung in die Jackettasche und ging zur Tür. Dort drehte er sich noch einmal um und verkündete: »Ich jeh ins Jeschäft. Macht ihr, wat ihr wollt.«
Mimmi Fabrici seufzte, als er verschwunden war, und rührte in der Kaffeetasse herum. Immer dasselbe, dachte sie. Er weiß, wie mich das nervt, wenn er in seinen Dialekt der Gosse zurückfällt, trotzdem verschont er mich damit immer wieder nicht. Er ist und bleibt ein ungehobelter Klotz, der kein Gefühl für gehobene Lebensart hat. Zwar verdient er viel Geld, doch das tun andere auch und gehören dabei zur Gesellschaft. Aber Paul? Nie werde ich mit ihm in bessere Kreise eindringen, nie wird man mich bei Freifrau v. Sarrow oder bei Generaldirektor Dr. Borne einladen. Paul kann keinen Smoking tragen – er sieht darin aus wie eine Karikatur. Und wenn er den Mund aufmacht und ›enä‹ sagt, ist die Gesellschaft geplatzt.
Das war es, was an der Seele Mimmi Fabricis nagte. Sie waren wohlhabend, konnten sich fast alles leisten, was das Herz begehrte, aber sie spielten trotzdem keine Rolle. Die Leute, zu denen Mimmi aufblickte, ignorierten sie und ihren Mann. Für diese war und blieb Paul Fabrici ein Emporkömmling, nichts weiter; ein Parvenue, sagten die ganz feinen Herrschaften und rümpften die Nase; angefangen hat er mit Milch und Edamer.
Mimmi dachte an ihr unzugängliche Bridgepartien, an ebensolche Cocktail-Partys und Tanztees, und ihr Mutterherz krampfte sich zusammen, wenn sie sich sagen mußte, daß sich ihrer Karin nie die Gelegenheit bieten würde, einen Mann der großen Gesellschaft kennenzulernen, um von ihm zum Traualtar geführt zu werden.
Vielleicht war der schockierende Einfall Karins, allein in Urlaub zu fahren, gar nicht so verkehrt. Vielleicht begegnet ihr auf einer Nordseeinsel, sagte sich Mimmi, ein solcher Mann. Sollte das passieren, konnte es nur gut sein, wenn Paul Fabrici, Karins Erzeuger, weit vom Schuß war. Wäre er nämlich das nicht, drohte doch nur die Gefahr, daß sich alles gleich wieder zerschlüge, weil er die Ablehnung jedes Zugehörigen der besseren Kreise wachrufen würde. O nein, nur das nicht!
Je länger Mimmi Fabrici über Karins neuesten Schritt der von ihr praktizierten Emanzipation nachdachte, desto mehr gewann sie demselben Geschmack ab. Natürlich wird es notwendig sein, sagte sich die Mutter, daß dem Kind die notwendigen Anleitungen mit auf den Weg gegeben werden; am besten sofort.
»Karin, du –«
Wo war sie denn? Mimmi Fabrici sah auf und blickte herum. Das Zimmer war leer, Karin hatte es unbemerkt verlassen. Das tat sie häufig, wenn sie bemerkte, daß Mutter in Nachdenken versunken war, weil man in den allermeisten Fällen annehmen mußte, daß dieses Nachdenken ein mit der Literatur zusammenhängendes war, aus dem sich Mimmi Fabrici ungern aufschrecken ließ.
Karin konnte aber nur auf ihr Zimmer gegangen sein, weil sie noch ihre Hausschuhe angehabt hatte.
Seufzend stand Mimmi Fabrici auf und schellte dem Dienstmädchen zum Abräumen. Dann stieg sie die breiten, mit Seidenteppichen belegten Treppen empor zur Kemenate ihrer Tochter und trat nach einem kurzen Anklopfen ein.
Karin saß auf ihrer breiten Schlafcouch und starrte in den weit geöffneten Kleiderschrank, aus dem die Kleider herausquollen. Sie sah reichlich hilflos aus und hob beim Eintritt der Mutter wie flehend die Arme.
»Mutti«, begann sie mit kläglicher Stimme, »ich habe nichts anzuziehen, ü-ber-haupt nichts. Alle meine Sachen sind völlig aus der Mode. Da, das Lavabelkleid, sieh dir das an – das kann ich doch nicht mehr tragen! Und das Musseline? Schrecklich! Ebenso das rotweiß gestreifte Seidene. Nicht einmal mehr unsere Erna könnte man damit auf die Straße schicken. Ich muß mich
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