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Der verhängnisvolle Urlaub

Der verhängnisvolle Urlaub

Titel: Der verhängnisvolle Urlaub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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sechzehn ging das bei ihr los. Sie rauchte, obwohl ihr dabei übel wurde, weil ›ein Mädchen dasselbe Recht hat wie ein Junge‹. Mit siebzehn ließ sie sich vom Arzt die Pille verschreiben, obwohl sie ein Leben führte, in dem Verhütungsmittel so überflüssig waren und weiterhin auch noch blieben wie mit sieben. Mit neunzehn entschloß sie sich, den nächsten Urlaub, der unmittelbar vor der Tür stand, nicht mehr zusammen mit den Eltern zu verbringen, sondern allein auf eine Nordseeinsel zu fahren. Vater fiel fast vom Stuhl, als sie dies am Frühstückstisch bekanntgab, indem sie sagte: »Ich habe es mir überlegt, ich fahre nächste Woche nicht mit euch nach Kärnten.«
    Paul Fabrici ließ die Zeitung, in der sein Kopf steckte, bis zur Nase sinken und antwortete: »Du willst zu Hause bleiben?«
    »Nein.«
    »Was dann? Zur Oma fahren?«
    »Um Gottes willen!«
    »Wenn du nicht zu Hause bleiben und nicht zur Oma fahren willst, dann weiß ich nicht, was dir vorschwebt.«
    »Ich möchte mal an die Nordsee.«
    Paul Fabricis Zeitung sank ganz herunter auf den Tisch.
    »Kind«, sagte er väterlich, »was soll denn der Unsinn? Du weißt doch ganz genau, daß wir in Millstadt schon Zimmer gebucht haben. Erwartest du etwa, daß wir das rückgängig machen?«
    »Nein.«
    »Was heißt nein? Wenn du dabei bleibst, an die Nordsee zu wollen, müssen wir Kärnten sausen lassen.«
    Paul Fabrici blickte immer noch nicht durch. Das geschah aber nun, als Karin erwiderte: »Keineswegs. Ihr beide fahrt nach Millstadt und ich auf eine Nordseeinsel.«
    »Allein?« Mehr konnte Vater Fabrici in seiner Fassungslosigkeit nicht hervorstoßen.
    »Ja, allein.«
    Fabrici sah seine Tochter absolut ungläubig an, dann wanderte sein Blick zu Mimmi Fabrici, Karins Mutter.
    »Hast du das gehört?« fragte er sie.
    »Was?«
    Mimmi las in jenen Tagen ›Die Dämonen‹ von Dostojewski. Das ging über ihre Kräfte. Außerordentlich ermüdet sank sie abends ins Bett, fand nur unruhigen Schlaf und erhob sich morgens in einem entsprechenden Zustand aus ihren Federn. Ein Psychiater hätte sie ›als sehr gestört in ihrer Konzentrationsfähigkeit‹ bezeichnen müssen. Zur Teilnahme an Gesprächen am Frühstückstisch benötigte sie einen Anlauf.
    Paul Fabrici mußte sich wiederholen.
    »Ob du das gehört hast, frage ich dich.«
    »Ob ich was gehört habe?«
    »Was Karin sagte.«
    »Was hat sie denn gesagt?«
    Paul Fabrici lief rot an.
    »Himmel Herrgott!« begann er. »Wo bist du denn wieder mit deinen Gedanken?«
    »Bei Dostojewski«, entgegnete Mimmi würdevoll. Das Mitleid, das sie dabei für ihren Gatten empfand, war weder zu überhören noch in ihrer Miene zu übersehen.
    Paul winkte wegwerfend mit der Hand und wandte sich seiner Tochter zu.
    »Karin, teile auch deiner Mutter mit, was du mir eröffnet hast.«
    Karin leistete dieser Aufforderung Folge. Sie erzielte damit eine vorübergehende Herabminderung des Interesses ihrer Mutter an Weltliteratur und eine Hinwendung zu familiären Angelegenheiten.
    Mimmi sagte zu ihrer Tochter: »Das darfst du nicht, Karin.«
    »Doch, Mutti.«
    Daraufhin sagte Mimmi zu ihrem Mann: »Das mußt du ihr verbieten, Paul.«
    »Hörst du«, wurde Karin von ihrem Vater gefragt, »was deine Mutter von mir verlangt?«
    »Ja.«
    »Du weißt also, daß du nicht an die Nordsee fährst, sondern nach Kärnten.«
    »Einverstanden«, nickte Karin zur Überraschung ihrer Eltern.
    Die beiden lächelten erlöst, doch sie taten das zu früh. Das Lächeln verschwand wieder aus ihren Zügen, als Karin hinzusetzte: »Wir tauschen. Ich fahre nach Kärnten und ihr an die Nordsee.«
    Damit war endgültig klar, worauf es ihr ankam. Wichtig war ihr nicht Salz- oder Süßwasser, das Meer oder die Alpen – wichtig war die Abnabelung von den Eltern.
    Wie dieses Ringen am Frühstückstisch endete, wird jedem Leser klar sein – mit dem Sieg Karins. Wer die heutige Jugend kennt, weiß, daß Paul und Mimmi Fabrici auf verlorenem Posten standen. Die Kapitulation der Eltern wurde deutlich, als Paul sagte: »Weißt du, was zu meiner Zeit passiert wäre, Karin, wenn ich als Sohn meinem Vater mit einer solchen Idee gekommen wäre? Und erst als Tochter! Weißt du, was da passiert wäre?«
    »Woher soll ich das wissen, Vati? Opa hatte ja gar keine Tochter.«
    »Das spielt keine Rolle. Du weißt genau, was ich sagen will.«
    »Ja – daß bei euch alles ganz anders war.«
    »War es auch!«
    »Und daß wir schon noch sehen werden, wo wir

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