Der Verhandlungs-Profi
Forderungen, Gegenforderungen und einer Vielzahl an Variablen.
Welche Punkte würden Sie zuerst verhandeln: die einfachsten oder die schwierigsten, die teuersten oder die billigsten?
Die meisten Verhandler antworten auf diese Frage damit, dass sie zuerst die leichteren Punkte verhandeln könnten. So ließe sich Zeit sparen, und sie könnten sich am Schluss auf die schwierigeren Punkte konzentrieren. Sie argumentieren, dass beim Start mit einem schwierigen Thema zu viel Zeit verbraucht werden könnte und es somit am Ende zu keiner Einigung kommt. Andere wiederum beharren darauf, dass es viel besser sei, zuerst mit dem schwierigsten Punkt zu beginnen. Es könnte sich dabei ja erstens um einen „Dealbreaker“ handeln, was bedeutet: Ist dieser zu einem positiven Ende gebracht, wären die anderen Punkte wesentlich einfacher zu verhandeln. Und zweitens würde auf diese Weise zu Beginn keine Zeit auf einfache Punkte verschwendet, die dann gegen Ende hin bei schwierigeren Punkten fehle und es daher doch noch zu einem Abbruch kommen könnte. Beide Ansätze verfolgen eine logische Argumentation: Es sollte jedenfalls ein Punkt nach dem anderen verhandelt werden, unabhängig davon, mit welchem man beginnt.
In der Realität führt leider keine der beiden Vorgangsweisen zu zufriedenstellenden Ergebnissen.
TIPP
Es bewährt sich gerade bei komplexen Verhandlungssituationen, mehrere Punkte gleichzeitig zu verhandeln.
Das mag jetzt für Sie möglicherweise ein bisschen seltsam klingen und Sie denken sich vielleicht: Und wie soll man das in der Praxis umsetzen? – Lassen Sie mich kurz ausführen, wie ich zu diesem Ratschlag komme.
Oftmals ist es so, dass einzelne Punkte in einer Abhängigkeit zueinander stehen. So ist es zum Beispiel bei Lizenzverhandlungen in Franchise-Unternehmen oder größeren Ketten durchaus üblich, Pakete zu verhandeln, die zum Beispiel eine höhere License Fee zu Beginn der Vertragslaufzeit vorsehen, dafür eine niedrigere Gebühr während der laufenden Zeit oder umgekehrt. Wenn Sie diese beiden Punkte separat verhandeln, sind Sie nicht mehr in der Lage, einen idealen Deal zu machen, denn Sie werden natürlich darauf achten, eine möglichst hohe Einstiegsgebühr herauszuholen, während Ihr Verhandlungspartner eine möglichst niedrige möchte. Mit dieser Strategie können Sie ihm eine möglichst niedrige Fee geben, dafür aber die laufende Gebühr etwas erhöhen und noch zwei, drei andere Bedingungen daran knüpfen.
Damit verhandeln Sie die einzelnen Punkte nicht im Sinne eines Fixed Pie, das heißt, teilen sie auf, sondern Sie versuchen, im Hinblick auf die gesamte Situation Wert zu schaffen, mit dem beide Verhandlungspartner zufrieden sind.
Verpacken Sie die Argumentation in solchen komplexeren Situationen immer in eine Wenn-dann-Kette.
Wenn Sie mir bei der License Fee entgegenkommen, dann kann ich mir vorstellen, dass ich bei der Running Fee gesprächsbereit bin oder einen anderen Prozentsatz ansetzen kann.
Oder:
Wenn Sie den Servicevertrag bereits zum Ersten des folgenden Monats starten können, dann bin ich bereit, diesen auf 24 statt auf 18 Monate zu unterzeichnen.
Es kann sein, dass Sie drei, vier, fünf unterschiedliche Punkte untereinander in Beziehung bringen. Wenn das notwendig ist, dann tun Sie es und verpacken Sie das Ganze in einen Vorschlag, der ein gesamtes Paket beinhaltet.
Ich könnte mir vorstellen, diesen Wagen von Ihnen zu kaufen, wenn ich ihn bereits nächste Woche abholen kann und wenn Sie die Reparatur noch auf Ihre Kosten durchführen können. Dafür würde ich bereits heute den vollen Kaufpreis bezahlen und den Wagen auch selbst abholen, und Sie würden sich die Zustellung ersparen.
In diesem Vorschlag stecken viele Punkte, die untereinander in Abhängigkeit stehen. Wenn Sie den Vorschlag dazu noch in eine 4er-Kette verpacken und mit einer Checkfrage enden, dann ist dies ein absolut reifer Vorschlag, der auch mit einer entsprechenden Wertigkeit vorgebracht wird.
Seien Sie auch vorsichtig, wenn Sie mit Vorschlägen konfrontiert sind, die zum Beispiel so lauten: „Wenn Sie uns bei Punkt 1 und 2 geben, was wir möchten, dann kommen wir Ihnen bei Punkt 5 und 6 entgegen.“ Hierbei können Sie sicher sein, dass Punkt 1 und 2 von besonders hoher Wichtigkeit sind und Punkt 5 und 6 ohnehin wenig Wert für die andere Partei darstellen. Nehmen Sie die vorgeschlagenen Punkte 1 und 2 in Ihre eigene Argumentation auf und stellen Sie zwei für Sie besonders wichtige Punkte
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