Der Verhandlungs-Profi
in der Praxis ist natürlich jener, den Sie dort ansetzen, wo Ihr Verhandlungspartner keine Alternative hat. Sind Sie zum Beispiel der einzige Lieferant, der binnen vier Tagen ein Ersatzteil liefern kann, haben Sie einen phantastischen Hebel in der Hand. Ein positiver Hebel ist also die Möglichkeit, Ihrem Verhandlungspartner etwas zu geben, was dieser dringend braucht, und derjenige zu sein, der es in Aussicht stellen kann.
Der negative Hebel funktioniert in die umgekehrte Richtung. Hier sind Sie in der Lage, Ihrem Verhandlungspartner entweder etwas wegzunehmen, was dieser dringend braucht, oder ihm in Aussicht zu stellen, ihm etwas zu verweigern, was ebenfalls negative Folgen für ihn hätte. Unternehmen, die Lizenzen an Vertriebspartner vergeben, welche mit diesen wirtschaftlich erfolgreich oder sogar davon abhängig sind, haben diese Hebel in der Hand. Würden sie ihren Geschäftspartnern die Lizenzen wegnehmen oder zum Beispiel nach deren Ablauf nicht verlängern, stünden diese vor dem wirtschaftlichen Aus. Das ergibt natürlich einen eklatanten Vorteil in Vertragsverhandlungen oder bei Konfliktlösungen.
Psychologisch betrachtet ist der negative Hebel der stärkere, denn Studien haben immer wieder gezeigt, dass ein potenzieller Verlust für uns Menschen wesentlich schwerer wiegt als ein möglicher Gewinn. Mit anderen Worten: das Vermeiden von Schmerz motiviert uns mehr als die Aussicht auf Freude. Das ist natürlich nicht ungefährlich und kann zu einem Spiel mit dem Feuer werden, denn wenn Sie negative Hebel nicht vorsichtig einsetzen, können diese auch eine negative Wirkung auf Sie selbst entwickeln. Fühlt sich ein Verhandlungspartner zum Beispiel von Ihnen massiv bedroht oder unter Druck gesetzt, könnte dies irrationales Verhalten, Rachegefühle oder Ähnliches auslösen und Ihnen damit mehr schaden als nützen.
Drohungen sind keine Hebel und überdies gefährlich
Der Grat zwischen dem Einsatz eines negativen Hebels und einer Drohung ist schmal. Es besteht die Gefahr, dass Ihr Verhandlungspartner Ihren Hebel als Drohung auffasst und unter Druck anders reagiert, als Sie erwartet hatten. Das wird vor allem immer dann der Fall sein, wenn Sie seine gegenwärtige Situation bedrohen und ihm einen möglichen Verlust in Aussicht stellen.
Sehen Sie in einer Verhandlung keinen anderen Ausweg, als eine Drohung einzusetzen, muss diese Drohung auf jeden Fall eines sein: realistisch. Das bedeutet, Sie müssen bereit sein, sie wahrzumachen, und Ihr Verhandlungspartner wiederum muss davon überzeugt sein, dass Sie diese Drohung wahrmachen würden, und seinerseits Angst vor den Folgen haben. Eine Drohung, die auch für Sie selbst Nachteile bringen würde, wäre unglaubwürdig und Ihr Verhandlungspartner würde sich dadurch möglicherweise nicht beeindrucken lassen und diese als Bluff abtun.
In der Kriminalistik spielt die Drohung eine sehr große Rolle, weil Verbrecher, die sich in einer Drucksituation befinden, die Drohung immer als raschesten und einfachsten Ausweg sehen. Dies vor allem auch deshalb, weil sie in ihrer Situation oft nicht in der Lage sind, über Konsequenzen der Drohungen nachzudenken, sonst würden sie diese möglicherweise gar nicht aussprechen. Beispiele dafür sind Entführungen, Morddrohungen, Geiselnahmen oder Überfälle mit Waffengewalt.
Auch in politischen Verhandlungen wird die Drohung häufig eingesetzt, obwohl sie gerade dort sehr leicht zu einem Bumerang wird, weil die drohende Verhandlungspartei oft vergisst, dass die Berichterstattung in den Medien die Situation anders darstellen kann, als sie eigentlich ist.
Der Unterschied zwischen Hebelwirkung und Macht
Nicht jeder, der am längeren Hebel sitzt, besitzt auch Macht über den anderen. Stellen Sie sich vor, Sie haben einen Mitarbeiter, den Sie für ein besonderes Projekt unbedingt brauchen und der als Einziger das Projekt in der benötigten Zeit erledigen kann. Dazu müsste er allerdings an zwei aufeinanderfolgenden Tagen länger im Büro bleiben und Überstunden machen. Sagt dieser Mitarbeiter nun zu Ihnen, das ginge nicht, denn er hätte schon etwas anderes vor, sind Sie zwar als sein Vorgesetzter in der Machtposition, allerdings sitzt er am längeren Hebel, denn Sie werden ihn nicht zwingen können.
Solche Unterschiede zwischen Hebelwirkung und Macht sehen wir sehr häufig bei Konflikten zwischen Interessenvertretern und Unternehmern, bei störrischen Behörden und natürlich bei Kindern. Selbstverständlich sind Eltern
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