Der verkaufte Patient
Patienten kämpft. Hören Sie sich das an: »Ich kann Ihnen als Landarzt versichern, dass Sie in allen Punkten recht haben. Was hier in Westfalen-Lippe abläuft, ist an Perversität nicht zu überbieten. Da gibt es eine Elterninitiative, die gegründet wurde, weil Eltern von behinderten Kindern Ärztehopping betreiben müssen, da Ärzte aus Regressangstdie notwendigen Verordnungen nicht mehr ausstellen. (…) Gegen mich laufen zurzeit sechs Wirtschaftlichkeitsprüfungen, davon sind drei existenzbedrohend, da die Überschreitungs- und mögliche Regresssumme bei über 118 000 liegt. Ich werde trotzdem weiter medizinisch Notwendiges verordnen, da ich nicht möchte, dass meine Patienten zu Schaden kommen.« (Dr. E.). Das sind für mich die Helden von heute: Ärzte, die für ihre behinderten oder chronisch kranken Patienten kämpfen und dafür sogar ihre berufliche Existenz riskieren!
Ein anderes Beispiel: Da ist diese sympathische Ärztin, die einen Vortrag von mir besucht hat und nun per E-mail ihr Herz bei mir ausschüttet. Sie ist in einer verzweifelten Situation. Lesen Sie selbst: »Liebe Frau Hartwig, Sie haben es fertiggebracht, dass mir klar wurde, wie würdelos wir behandelt werden und dass wir wirklich Würde haben und sie auch beanspruchen dürfen und stolz auf uns sein können, wie wir für unsere Patienten da sind. Ich bin Allgemeinärztin, wir haben vier Kinder; wir haben zwei Häuser gebaut – eine Praxis und ein Wohnhaus. Wir haben uns und unsere Kinder jahrelang vernachlässigt und uns selbst ausgebeutet. Wir sind immer noch hoch verschuldet. Wir versorgen unsere Patienten nach bestem Wissen und Gewissen. Klar, wir machen auch Fehler, die uns erheblich psychisch zusetzen, aber wir versuchen wirklich, für unsere Patienten da zu sein. Und wir haben es nicht verdient, zynisch von dieser Politik kaputt gemacht zu werden. Wir haben auch unsere Zulassung zurückgegeben, so wie außer einer Gemeinschaftspraxis alle unsere Kollegen aus unserer Notfalldienstgruppe. Nur unsere Bank wird es uns dann im Endeffekt nicht erlauben, denn unsere ganze Geldzahlungen sind an die Bank abgetreten, und so geht es den meisten Kollegen aus unserem Raum. Wir können keine ein oder zwei oder mehr Monate überbrücken.« (Dr. E.)
Diese Frau befindet sich wie Tausende andere Ärzte in Deutschland in einer Situation, die mich auf die Palme bringt. Hier hat ein unheiliges Kartell aus Politik, KassenärztlicherVereinigung und Kassen den Würgegriff angelegt. Wie viele andere Ärzte möchte sich diese mutige Frau dem staatlich verordneten Exitus der Hausärzte entziehen und die Zulassung zurückgeben. Das heißt im Klartext: Die Ärzte, die ihre Kassenzulassung zurückgeben, tun dies in einem verzweifelten Schritt, um weiterhin freie Ärzte unseres Vertrauens sein zu können.
Ich wäre liebend gerne Hausärztin
Eine bayerische Ärztin schreibt mir: »Was Politik, Kassenärztliche Vereinigungen (KV) und Kassen nicht wahrhaben wollen: Ihre Aktion »Hilfe-für-Hausärzte-in-Not« berührt mich tief. Genau diese Gründe, die Sie angeben, halten mich als Ärztin davon ab, endlich meinen Traum umzusetzen, eine Landarztpraxis zu eröffnen. Ich wäre liebend gern als Hausärztin tätig, kann es mir aber als Haupternährerin meiner Familie mit drei Kindern einfach nicht leisten. Mir wurden schon einige Praxen angeboten, die ich dankend ablehnen musste, da ich von meiner Arbeit a) leben und b) meine Familie ernähren muss, c) Zeit für meine Kinder haben und d) meine Patienten mit Zeit und Können ohne Regressangst behandeln möchte.« Was ist das für ein System, in dem Politiker sich auf die Schulter klopfen, wie toll ihre Gesetze und unser Gesundheitssystem sind – und eine Ärztin aus Leidenschaft trotz eklatantem Mangel an Landärzten mit ihren Kindern nicht anständig leben, ja nicht einmal mehr überleben kann.
»Als ich diesen Beruf ergriff«, schreibt mir der zornige Dr. B., »war ich ein Idealist, und – verdammt noch mal! – ich werde es bleiben!!! Ich werde mich nicht zum Fuzzi von Pharmaunternehmen machen lassen. Ich bin nicht die Nutte der Kassenärztlichen Vereinigung. Ich werde mich nicht prostituieren, um zu überleben. Die deutsche Gesundheitspolitikist unmoralisch, unmenschlich, unanständig. Ich mache da nicht mit!«
Dieser Mann hat noch Kraft; andere Ärzte versinken in Lethargie und Frust, oder sie gehen in die innere Emigration. Dr. B.: »Viele von uns sind müde, gedemütigt trotz voller Praxen,
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