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Der verkaufte Patient

Titel: Der verkaufte Patient Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Renate Hartwig
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Ärzten informiert. Der Titel des Abends»Was ist uns unsere Gesundheit wert?« war perfekt gewählt. In ihrem 25-Minuten-Vortrag verstand es Ulla Schmidt, ihren Anhängern – freilich nur ihnen – die immer mehr steigenden Krankenkassenbeiträge schmackhaft zu machen. Selbstverständlich erwähnte sie mit keinem Wort ihre mehrfach gemachten Aussagen, dass alle Reformen nur notwendig seien, damit die Kassenbeiträge
sinken
oder zumindest
stabil bleiben
und nicht steigen!
    Immer wieder fragte ich mich, ob Ulla Schmidt tatsächlich glaubt, was sie da erzählt. Den Solidargedanken im Mund und das Flugticket in die USA noch in der Tasche. Widersprüche pflastern ihren Weg, ging es mir durch den Kopf. In der Fragerunde brachten Pflegekräfte und ein Physiotherapeut ihre Klagen vor. Wie andere leiden auch sie an Überbelastung und schlechter Bezahlung. Ich versuchte, die mir genehmigte Frage zu stellen. Ich kam mir schon vor wie in der Schule, wollte anfangen, mit den Fingern zu schnippen, denn mein Aufzeigen wurde geflissentlich vom SPD-Organisator übersehen.
    Ob es das immer lauter werdende Geraune der Zuhörer war oder es irgendwie doch ins Kalkül des Organisators passte: Eine Minute vor dem angekündigten Ende durfte ich der Ministerin aus Berlin dann auch meine Frage stellen. Es war fast die gleiche, die ich bereits beim Hausärztetag in Bamberg zwei Monate zuvor Ministerpräsident Beckstein gestellt hatte:
»Gibt es mit der amerikanischen Kapitalgesellschaft ›Kaiser Permanente‹ einen Vertrag, einen Vorvertrag oder Gespräche, die zu einem Vorvertrag führen, und aus welchem Grund fliegen Sie und weitere Gesundheitspolitiker in schöner Regelmäßigkeit in die USA – und immer zu Kaiser Permanente?«
Ich wusste genau, warum ich diese Frage stellte und den handelnden Personen solange stellen werde, bis ich eine klare Antwort darauf bekomme. Denn diese Frage ist die Schnur, die den Vorhang, der den Skandal verhüllt, zur Seite zieht.
    Im Saal hätte man eine Stecknadel fallen hören. Durchatmen bei Ulla Schmidt, dann ihr aggressives Herausplatzen:»Ich fliege in die USA, sooft ich will, wann ich will, mit wem ich will, und werde weder Sie noch jemand anderen danach fragen!« Auch Beckstein war bei dieser Frage explodiert. Dabei hätten sich Beckstein wie Schmidt ihre Adrenalinaktivierung sparen können. Mir hätte ein Einfaches »Nein, es gibt solche Verträge, Vorverträge, Gespräche nicht!« genügt. So habe ich nun Grund, mir erhebliche Sorgen zu machen. Mit jedem Ausweichen, mit jeder Beschwichtigung wird der Skandal nur größer! Eines Tages wird er öffentlich werden. Dann werden die Politiker Farbe bekennen müssen.
    Die Bundesgesundheitsministerin und ihre Mitstreiter erwecken in meinen Augen den Eindruck, als wollten sie die Krankenkassen in eine Form bringen, in der man sie verkaufen kann. Sie brauchen ein handelbares Produkt, eine verlockende Größe für Investoren. Es muss ein Geschäft versprechen, eine solche Krankenkasse zu besitzen. Die Politik will das leidige Thema Gesundheit vom Tisch haben. Denn es zieht den Staathaushalt wie Blei in die Tiefe. Es ist ein Loser-Thema. Es kostet Wählerstimmen.
    Unsere Gesundheitspolitiker antichambrieren deshalb schon bei potenziellen Käufern, bauen ihnen Brücken, holen Sie ins Land. Doch die Ware Gesundheit ist kein marktkonformes Produkt. Gesundheit muss in weiten Teilen die soziale Aufgabe einer solidarisch verfassten Gesellschaft bleiben.
    Man sollte sich in diesem Zusammenhang an den Spruch der CDU-Wirtschaftsexpertin Hildegard Müller erinnern, die mit Blick auf die freien Ärzte sagte: »Wir werden den Teich austrocknen und die Frösche dazu nicht befragen!« Nun werden wir Wähler von Ulla Schmidt auch nicht befragt; sie fliegt auf Kosten des Steuerzahlers, wann sie will, wie oft sie will und mit wem sie will in die USA, um sich das unmenschlichste aller Gesundheitssysteme anzuschauen. Aber nicht – so befürchte ich –, um sich eine Dosis Abscheu zu holen.
    Wir brauchen nur einen Blick auf die Krankenhäuser und Kliniken zu werfen! Rasant steigende Defizite zwingen dieKommunen, Krankenhäuser an Klinikketten zu verkaufen. Dort werden dann Gewinne eingefahren. Aber wie erzielt man sie? Durch künstlich in die Höhe getriebene Belegzahlen (zahlt der Steuerzahler), niedrigere Verweildauer (auf Kosten der Gesundheit der Patienten) und vor allem durch Personal- und Personalkosten-Reduzierung (zu Lasten der Arbeitnehmer, die überarbeitet sind und

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