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Der verkaufte Patient

Titel: Der verkaufte Patient Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Renate Hartwig
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zu wenig für ihre Arbeit bekommen). Die Klinikketten steigen einfach aus dem BAT-Tarif aus und führen ihre Haustarife ein. Die Rhönkliniken reden Klartext:
»Wir würden den Versuch, uns auf BAT-Niveau binden zu wollen, als Angriff auf die Zukunft unserer Krankenhäuser betrachten.«
Kurzum: Außer den Klinikbetreibern zahlen alle drauf. Die Negativeffekte werden breit gestreut – das heißt: Die Verluste werden sozialisiert.
    Am schlimmsten trifft es den Patienten: Wenn er finanziell am Ende ist und die Gesundheitswirtschaft nichts mehr aus ihm herausholen kann, wirft man ihn ins soziale Netz, das wir miteinander geknüpft haben. Irgendwann wird dieses Netz wegen Überlastung reißen, und dann sind wir angekommen im Land der ungeahnten Möglichkeiten, dann haben wir die vielzitierten amerikanischen Verhältnisse!
    Die Berliner Protestveranstaltung im September hat es gezeigt: Die Unterfinanzierung der Krankenhäuser erfolgt analog zur strategisch angelegten Zerstörung des Geschäftsmodells »Hausarzt« bzw. »freier, niedergelassener Arzt«. Es ist eine Inszenierung. Denn wenn der Pleitegeier erst sichtbar über dem kommunalen Krankenhaus schwebt, wird klar, weshalb die Politik die Retter in Form eines professionellen Großbetriebes mit Kusshand begrüßt: Es gibt Kräfte, die das Ziel verfolgen, unsere städtischen Kliniken sturmreif für die Übernahme zu schießen. Ich kenne ihre Namen. Das ist aber nur ein Bereich. Die Stimmen, die behaupten, dass die medizinischen Leistungserbringer, egal ob niedergelassener Arzt, Facharzt, Physiotherapeut, Ergotherapeut, Krankenhaus, Krankenschwester, Pfleger, medizinische Fachkraft, gezieltindie finanzielle Misslage gebracht werden, erschallen immer lauter. Denn nur auf diese Weise ist die flächendeckende Industrialisierung unseres Gesundheitswesens durch Kapitalgesellschaften möglich.
    Pfleger und Krankenschwestern schreiben Berge von Überlastungsanzeigen, um den Personalmangel bei den Krankenhausbetreibern zu beklagen. Genau wie es für niedergelassene Ärzte keine Abrechnungsgebühren für die sprechende Medizin (die Zeit für das Gespräch mit dem Patienten) gibt, genauso wenig haben die Krankenschwestern und Pfleger Zeit für Gespräche mit den Patienten. Im Akkord hetzen sie über die Gänge, ausgelaugt, unterbezahlt und im täglichen Überlebenskampf zwischen Druck und Verantwortung. Ihr Stress ist systembedingt. Das System soll kollabieren. Langsam spüren diese Mitarbeiter das, verstehen die Zusammenhänge und bewegen sich am Rand einer Rebellion. Wer könnte das nicht nachvollziehen?
    Lange genug haben sie um Hilfe gebettelt. Nun haben sie reagiert! Am 25. September 2008 demonstrierten weit über 100 000 Beschäftigte aus den Krankenhäusern in Berlin. Ihre Trillerpfeifen waren unüberhörbar.
    Es muss gelingen, den Schulterschluss zwischen allen medizinischen Berufen und den Patienten zu festigen. Bayern hat es im Landtagswahlkampf 2008 vorgemacht: Wahltag ist Zahltag – auch 2009 bei der Bundestagswahl!
    An dieser Stelle ein dickes Dankeschön im Namen aller Patienten, die das schwächste Glied in der Kette des Gesundheitsreformwahnsinns sind und für die in Berlin mitdemonstriert wurde!

Nachwort
     
    W as ist für mich die Quintessenz? 90 Prozent aller Prozesse zur Gesundwerdung eines Menschen ereignen sich im Sprechzimmer eines Arztes. In der einzigartigen Vertrauensbeziehung des Patienten zu »seinem« Arzt – einem Arzt, der absolut verschwiegen und frei und niemandem verpflichtet ist, nur seinem Gewissen –, in dieser Vertrauensbeziehung finde ich die Urzelle des ganzen Gesundheitswesens. Hier habe ich als »Patientin« den
Anwalt meiner Sache
. Krank sein heißt ja auch: Ich kann mir selbst nicht helfen, hilf du mir! In diesem Moment darf nichts zwischen mir und meinem Arzt stehen als menschliches Vertrauen auf die Kunst und Integrität des Arztes, der meine Sache ernst nimmt.
    Ich protestiere gegen alle Versuche, von außen in die Arzt-Patienten-Beziehung einzubrechen. Ich möchte die absolute Sicherheit haben, dass mir von meinem Arzt nichts angedreht wird, damit er überleben kann. Ich will von ihm auch nicht für fremde Zwecke ausspioniert werden. Ich möchte die hundertprozentige Sicherheit haben, dass kein Sterbenswort aus dem Arztzimmer nach draußen dringt, auch keine Daten und keine Aufzeichnungen und keine Einschätzungen, so versessen die halbe Welt auch auf diese Dinge ist. Ich werde das für mich niemals zulassen – und ich kann nur

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