Der verkaufte Patient
Herrn Lauterbach schon gelesen habe, da stünde ja alles drin: »Berichten Sie auf Ihrer Seite über das Buch!« – »Dann schicken Sie’s mir!« – »Nein, nein – das müssen Sie sich schon selbst kaufen, aber da lernen Sie auch was!« Fortan hatte ich Dr. Lauterbach auf dem Monitor.
Karl Lauterbach ist allgegenwärtig
Egal, in welcher Talkshow es auch immer gerade um Gesundheits- oder Bildungsfragen geht: Lauterbach ist der »Experte«, Lauterbach muss ran, Lauterbach zeigt den Weg – als gebe es nur ihn im politischen Berlin. Doch der Mann ist nicht nur ein medialer Allrounder. Er wirbelt universal. Eine »exponierte Persönlichkeit« nennt man so was wohl. Auf der Homepage des Bundestages scheint die Fülle der öffentlichen und privaten Funktionen des Mannes auf. Als berufliche Tätigkeit ist Hochschullehrer sowie wissenschaftlicher Berater und Gutachter angegeben. Während er seinen Lehrverpflichtungen wohl weniger nachgeht, ist er als Berater im Turbotempo unterwegs. Neun entgeltliche Tätigkeiten neben dem Mandat werden genannt. Er ist Mitglied des wissenschaftlichen Beirates des Wissenschaftlichen Instituts der AOK in Bonn. Last, but not least ist er Mitglied des Aufsichtsrats der Rhön-Klinikum AG.
Fangen wir mal mit den Rhön-Kliniken an! Was ist das denn für ein Unternehmen, über das Dr. Lauterbach Aufsicht führt? Welche Interessen verfolgt diese Einrichtung?
In die Hände arbeiten
2007 konnte der Klinikbetreiber einen Umsatz von 2,02 Milliarden Euro erwirtschaften – Tendenz steigend. 2006 waren es noch 1,93 Milliarden gewesen. Konzernchef Wolfgang Pföhler ist stolz: »2007 haben wir demonstriert, dass wir Kliniken auf allen Versorgungsstufen profitabel führen können.« Pföhler ist bekannt dafür, dass er kein Blatt vor den Mund nimmt. Bei der Bilanzpressekonferenz am 24. April 2008 ließ er die interessierte Öffentlichkeit vollmundig wissen, wohin denn bei der Rhön-Klinikum AG die Reise geht: »Wir wollen ein Komplettangebot aufbauen. Dafür werden wir unsere Akquisitionsstrategie konsequent auf den ambulanten Sektor ausdehnen.« Ich übersetze mal: »Wir wollen dahin, wo jetzt noch 130 000 freie, niedergelassene Ärzte sitzen.« Die Vorwärtsstrategie des Konzerns, würde sie Erfolg haben, wäre gleichzeitig das Todesurteil für unsere Hausärzte.
Die deutsche Ausgabe der
Financial Times
kommentierte gleich am Folgetag: »Fast alle Klinikbetreiber und zahlreiche Finanzinvestoren arbeiten derzeit an ähnlichen Plänen. Die erwartete Liberalisierung des ambulanten Gesundheitsmarkts weckt Hoffnungen. Für die Versorgung geben die gesetzlichen Krankenkassen jährlich rund 23 Milliarden Euro aus. Experten gehen davon aus, dass bis 2015 mindestens die Hälfte dieses Volumens neu verteilt wird. ›Mit Rhön ist nun die erste große Klinikkette in die Offensive gegangen‹, sagte ein Konkurrent.«
Noch sind es bei
Rhön
erst 17 MVZ, die Krankenhäusern der Gruppe vorgeschaltet sind, aber das Volumen soll rasch wachsen – von jetzt 7 auf 10 Millionen im kommendenJahr und dann rasant bergauf. Und Pföhler kennt sich in der Branche aus. Der CDU-Politiker war früher bei der Stadt Mannheim für das Krankenhauswesen zuständig, dann war er Chef der Baden-Württembergischen und Deutschen Krankenhausgesellschaft, des Dachverbandes der Klinikbetreiber. Jetzt ist er dort Vizepräsident. Er weiß vermutlich, welchem Krankenhaus es in Deutschland gut- oder schlechtgeht. Als junger Mann hat er übrigens mal dafür gekämpft, dass Kliniken in kommunaler Hand bleiben.
Vor Analysten legte Pföhler noch ein Schippe nach in puncto Unverblümtheit: »Wir sind daran interessiert, dass möglichst viele Patienten zu uns kommen, damit wir die Vorteile der Massenfertigung in der Medizin (
!
) und die Kostendegression bei Qualitätssteigerung voll nutzen können.« Wie bitte? Da sollte wohl kein Patientenspitzel mithören, oder? Redet der von Menschen? Die Analysten werden es überhört haben. Ihnen dürfte die Botschaft wichtig sein: »Unser strategisches Ziel war, ist und bleibt für die Zukunft die flächendeckende Vollversorgung.« Pföhler appellierte an die Cleverness der Analysten: »Sie erkennen deutlich, dass die Reformbewegungen in der Gesundheitsreform uns langfristig in die Hände arbeiten und uns nicht von unserem Ergebniswachstum abbringen werden.«
Ob sich Herr Pföhler da nicht gewaltig täuscht – trotz Karl Lauterbach?
Schlüsselstelle
Lauterbach sitzt also bei
Rhön
im
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