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Der verkaufte Patient

Titel: Der verkaufte Patient Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Renate Hartwig
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Marktzugang
. Mit anderen Worten: Die Qualitätssicherer müssen nur die Standards (den Marktzugang) so definieren, dass etwa eine kleine Landarztpraxissie unmöglich erfüllen kann, schon haben sie das Instrument in der Hand, um diese missliebigen kleinen Marktteilnehmer aus dem Markt zu kegeln. Wer also will, dass es bald keine Hausärzte mehr gibt, verordnet ihnen »Qualitätssicherung« bis zum Abwinken. Damit sich niemand täuscht: Die Waffe arbeitet bereits. Sie tötet langsam, aber präzise.
Neusprech und Gewalt
     
    Was steckt dahinter? Wer steckt dahinter? Ziel ist die Privatisierung unseres Gesundheitswesens, seine restlose Auslieferung an freie Investoren. Zuerst kommen die Berater vom Schlag der Bertelsmann-Stiftung. Sie sind es, die Politikern wie der Öffentlichkeit in perfektem Business-Neusprech suggerieren, was angesagt ist: Man müsse nun endlich mal moderne Management-Methoden in die verzopfte deutsche Staatsmedizin einführen –
best practice, visions
, Kompetenzzentrum, Benchmarking, Wettbewerb, Qualitätssicherung usw. Diese etwas von oben herab ergehenden Tipps verteilen die Damen und Herren von der Stiftung durchaus nicht aus karitativen Beweggründen. Die Bertelsmann-Tochter arvato etwa gehört schon heute zu den großen Profiteuren der Privatisierung im Gesundheitswesen; bei arvato werden die Fotos von 17 Millionen AOK-Versicherten digitalisiert. An dieser Ecke winkt weiteres Geld. Da kann man schon mal auf den richtigen Pfad helfen.
    Dann treten Politiker und Verbandstrategen in Funktion. Die einen schaffen die gesetzlichen Grundlagen für die Zertifizierung – und sie sorgen dafür, dass es bald keinen Arzt mehr gibt, der nicht zertifiziert ist. Die anderen gehen ins Detail. Am 18. 10. 2005 hat der Gemeinsame Bundesausschuss, das zentrale Gremium von KBV (= Kassenärztliche Bundesvereinigung), Deutscher Krankenhausgesellschaft und den Krankenkassenverbänden, die »Qualitätsmanagement-RichtlinievertragsärztlicherVersorgung« verabschiedet. Der GBA schreibt vor, das einrichtungsinterne QM bis zum 18. 10. 2009 einzuführen. Nach Ablauf dieser Zeit werden dann die regionalen KVen die Entwicklung anhand von jährlichen Stichproben in Höhe von 2,5 % überprüfen.
Das Grauen im Detail
     
    Nach dieser QM-Richtlinie – und jetzt muss ich Sie, lieber Leser, leider etwas quälen – soll in jeder Praxis sowohl in Hinsicht auf die Patientenversorgung, die Praxisführung, die Mitarbeiter und die Organisation mit Hilfe bestimmter Instrumente die Qualität der Arbeit nicht nur gesichert, sondern vor allem auch kontinuierlich verbessert werden. Auch die praxisinterne Kommunikation soll optimiert werden, die Mitarbeiter sollen einbezogen und gefördert werden; die interne Verantwortlichkeit ist klar zu regeln und die Kooperation mit den externen Partnern bei der Patientenversorgung aktiv zu gestalten. Daraus ergibt sich eine Fülle von unabdingbaren Einzelmaßnahmen: Qualitätsziele müssen gemeinsam definiert, strukturierte Teambesprechungen in klar definierten Zeitabständen geplant und durchgeführt, systematische Patientenbefragungen im regelmäßigen Turnus realisiert, klare Handlungsanweisungen im Umgang mit Fehlern und Beinahe-Fehlern erarbeitet, die Einrichtung eines definierten Beförderungsmanagements betrieben, die Erstellung von Checklisten, Funktionsbeschreibungen, Prozess- und Ablaufbeschreibungen sowie detaillierte Durchführungsbestimmungen implementiert und natürlich ein eindeutiges Organigramm erstellt werden.
    Sind Sie noch wach? Nein? Sollten Sie aber. Ich sage nur: »Brigitte!«
    Ärzte und Öffentlichkeit merken zunächst nichts, denn wer will schon Modernität verhindern, indem er sich weigert, seineQualität nachzuweisen? Nun müssen die Ärzte im Hinblick auf die Zertifizierung geschult werden. Netterweise gibt es gleich zwei Instanzen, die sich anbieten: Entweder geht unser Arzt zur Kassenärztlichen Vereinigung, einer Institution, die aus Ärztegeldern durch Zwangsmitgliedschaft finanziert wird. Dann kostet ihn die Schulung ca. 500–600 Euro. Umsonst ist wie gesagt nichts. Oder er nimmt gleich das Angebot eines Pharmakonzerns in Anspruch. Da kostet es gar nichts. Außerdem findet die Schulung vielfach nicht in billigen Hotels, sondern in feinen Resorts statt, zwischen Edelbrunch, Baroloverkostung und Kristallsteinmassage. Man gönnt sich ja sonst nichts. Der nette Pharmakonzern erwartet auch nichts weiter, als dass unser Arzt in Zukunft mal etwas genauer auf das

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