Der verkaufte Patient
Firmenlogo schaut – bei Verordnungen und so.
Es ist ein wahres Kesseltreiben
Keiner kommt aus. Irgendwann ereilt es jeden praktizierenden Arzt. Wissenschaftliche Gutachter, Managementberater, Politik, Kassen, Kassenärztliche Vereinigung, Pharmaindustrie – alle haben sie sich eingeschossen auf die neue Linie und miteinander das Monster geboren. Und so liegt unser armer kleiner Arzt am Ende eines langen Schulungstages wohlgespeist und rotweingedämpft im Bett und ist – sehr für sich – in der Verfassung für einen systemsprengenden Gedanken: Was für eine
grandiose Verdummung!
Das nachfolgende Dokument, das beweist, wie lernfähig Ärzte sind, hat ein ebenso geschulter wie verzweifelter Hausarzt (vermutlich unter Rotweineinfluss) verfertigt und mir zur weiteren Verwendung überlassen, nicht ohne darauf hinzuweisen, dass VA für Verfahrensanweisung, AA für Arbeitsanweisung und CL für Checkliste stehen. Es ist ein schönes Beispiel, wie in modernen Praxen gearbeitet wird, in denen es für jeden Handgriff Angaben zu Zweck, Geltungsbereich,Verantwortung, Aufgabe, Maßnahmen, evtl. mitgeltende Unterlagen, Verteiler, Anlagen, Prüfverfahren und Unterschriftenregelung gibt.
Qualitätssicherung bei Entleerung des Enddarms
Zweck: Generelle Vorgehensweise bei spontanimpulsiver, nicht obstipatischer Darmentleerung.
Geltungsbereich: In der Arztpraxis.
Verantwortung: Qualitätsmanagement-Beauftragte (QMB); sonst jeder für sich.
Aufgabe: VA: Sicherstellung der problemlosen, schmerzfreien Darmentleerung mit Erleichterung und Glücksgefühl.
Maßnahmen: Vorhaltung lokaler Einrichtungen im Sanitärbereich nach DIN-Verordnung; Definition von Wartungsintervallen, AA: nachhaltige Klopapierbevorratung.
Dokumentation. CL: Art der Stühle (geformt, fest, breiig, wässrig, mit Schleim oder mit Blutabgang), Frequenz der Stuhlgänge pro Tag/pro Woche. Zweck: Nachvollziehbarkeit der Qualitätskriterien für die Darmentleerung.
Qualitätssicherung: Der QM- bzw. die QM-Beauftragte muss regelmäßig diese Dokumentation auf Vollständigkeit überprüfen.
Prüfvermerk: Nur gültig mit notwendigem Vermerk, Unterschrift, Datum.
…
Die weiteren 27 Seiten dieser überaus gründlichen Studie erspare ich Ihnen.
KAPITEL 5
Der Mann mit der Fliege – oder:
Ullas Harry Potter im fliegenden Einsatz
E r inszeniert sich geschickt als das rote Aushängeschild sozialdemokratischer Gesundheitspolitik: Prof. Dr. Dr. Karl Lauterbach – der Mann mit der Fliege. Ein bisschen hat er auch etwas von einem Technokraten an sich, der mit einer gewissen Überparteilichkeit daherkommt – ein
Berater
eben, ein Mann der Wissenschaft, der gern der Politik Nachhilfeunterricht erteilt, wenn sie »wissensbasierte« Entscheidungen fällen möchte. Menschen mit bestimmten Krankheitsbildern hatten mindestens indirekt schon einmal mit Herrn Lau-terbach Kontakt. Ein Heer von chronisch Kranken wird seit Jahren bundesweit in die sogenannten DMP-Programme (Disease-Management-Programme) über die Krankenkassen geführt. Wer war der große Verfechter dieser Idee? Der Mann mit der Fliege!
Bei den Ärzten nun scheint Lauterbach keinen besonders guten Stand zu haben. Die Zeitschrift »Der Kassenarzt« apostrophierte ihn schon 2003 »als den Leibarzt und gesundheitspolitischen Berater-Intimus von Ministerin Ulla Schmidt, die ihn wohl als eine Art ›Harry Potter‹ für ihre Pläne sieht«. Die Zunft schimpft über ihn, was das Zeug hält. Als die Expertenkommission »Reform des Gesundheitswesens« (Rürup-Kommission) berufen wurde und in der KV Hessen Protest laut wurde, weil nicht ein einziger praktizierender Arzt oder Psychotherapeut darin vertreten sei, bemerkte der hessische KV-Chef Spies in Hinsicht auf Lauterbach: »Es ist ein Arzt drin, nur glaubt keiner, dass er Arzt ist.« Hans-Jürgen Thomas, der Vorsitzende des Hartmannbundes, sprach gleich von »Missachtung der Ärzteschaft«, wenn da jemand mitrede,der zwar irgendwann einmal Medizin studiert habe, »ein Klinikbett aber nur aus der Ferne während seiner Ausbildung gesehen hat, dem Klinik- und Praxisalltag fremd sind und für den Patienten und Ärzte nur Rechengrößen am grünen Tisch bedeuten«.
In mein Blickfeld geriet Lauterbach, als ich meine Website www.patient-informiert-sich.de . gestartet hatte – und ebendies tat: mich informieren. Freundliche Nachhilfe bot mir der Pressemitarbeiter eines SPD-Bundestagsabgeordneten aus Biberach, der mich anrief und fragte, ob ich denn das Buch von
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