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Der verkaufte Patient

Titel: Der verkaufte Patient Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Renate Hartwig
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Aufsichtsrat. Neben ihm sitzt Frau Dr. Brigitte Mohn von der Bertelsmann-Stiftung. Die Frage muss erlaubt sein: Als was agiert Prof. Karl Lauterbach da? Als
Linker?
Wo bitte ist links? Ist das dort, wo Patienten am Fließband verarbeitet und kleine Unternehmen zerstört werden? Ist links dort, wo die Kapitalwalze durch die Republikrollt und alles plattmacht, was sich ihr in den Weg stellt? Oder agiert der fixe Herr Lauterbach vielleicht als
Volksvertreter?
Wenn er das Volk vertreten will, kann er nicht wollen, dass die Hausärzte und freien, niedergelassenen Ärzte in den Ruin getrieben werden. Oder agiert er vielleicht doch in erster Linie als
Rhön-Vertreter?
Dann kann er aber nicht das Gegenteil von dem wollen, was Vorstandschef Pföhler will. Also, was will er denn? Oder will Pföhler, was Lauterbach will? Wird hier die Politik für die Wirtschaft benutzt oder die Wirtschaft für die Politik? Fragen über Fragen.
Das Rhön-Modell
     
    In dankenswerter Offenheit hat Wolfgang Pföhler das beschrieben, was wohl die gemeinsame Vision von Politik und Kapital ist. Das Krankenhaus der Zukunft soll mechanisiert, in seinen Abläufen »effizient« gemacht werden. Es soll einer Produktionshalle gleichen, in der am besten rund um die Uhr operiert werden soll, damit die Betriebskosten verringert werden und die Gewinnspanne erhöht wird.
    Zum Zweck dieser Optimierung werden bei dem Wettbewerber Sana die »Patientenpfade« eingerichtet – wieder so ein Wort aus der Trickkiste der Verschleierung. Man will nicht gleich von »Produktionsstraßen« sprechen, wie wir sie von der Autoproduktion kennen. Irgendjemand könnte ins Grübeln kommen.
Rhön
ist ja kein Einzelfall. Dr. Reinhard Schwarz, Chef von rund 60 privaten Sanakliniken, assistiert dem Unternehmen, indem er in dieselbe Kerbe haut: »In den Häusern geht es nicht mehr um die günstigste Reinigung. Wir müssen an die medizinischen Prozesse, wenn wir etwas erreichen wollen.« Im Nachsatz erläuterte er, dass »allerdings der Mut und die Durchsetzungskraft der Manager in vielen Krankenhäusern fehlt für eine Neuausrichtung«. Na, hoffentlich! Längst äußern sich die Manager, die Investoren, die Chefsdieser Konzerne aber nicht mehr leise hinter vorgehaltener Hand, sondern sprechen aus, worum es geht – um Gewinn, um Gewinnmaximierung, um Effizienz, um das gezielte Ausdrücken der Zitrone!
    Lauterbach eröffnet einen strategischen Nebenkriegsschauplatz mit seinem populistischen Kampf gegen eine Zwei-Klassen-Medizin. Man soll ihn wohl für einen Volkstribun halten, der sich für die Rechte der armen Kassenpatienten starkmacht. In Wahrheit sollen Patienten wie freie, niedergelassene Ärzte auf Linie gebracht werden. Lauterbach arbeitet nach meiner Ansicht nicht für die Patienten, sondern für die Industrialisierung der Medizin, in der ein Patient nur noch ein Werkstück auf einer renditebringenden Produktionsstraße ist und Ärzte nur noch als ferngesteuerte Handlanger der Großkonzerne fungieren.
Neue Medizin-Ethik?
     
    Ein besonderes Steckenpferd von Lauterbach ist die Medizin-Ethik. Bisher meinten Ärzte zu wissen, was das ist. Es gibt nämlich eine breite Spur tradierten Wissens um die ethische Verpflichtungen des ärztlichen Standes. Seit rund 2500 Jahren denken Mediziner und Philosophen darüber nach, welche Verantwortung der Arzt hat und welche Sicherungsmaßnahmen ergriffen werden müssen, damit das kostbarste Kapital zwischen Arzt und Patient – das Vertrauen – erhalten bleibt. Der
Eid des Hippokrates
ist eines der ältesten und vornehmsten Zeugnisse dieser Art. Wer die Heilkunst ausüben wollte, musste bei den Göttern schwören: »Ärztliche Verordnungen werde ich treffen zum Nutzen der Kranken nach meiner Fähigkeit und meinem Urteil, hüten aber werde ich mich davor, sie zum Schaden und in unrechter Weise anzuwenden. (…) Was ich bei der Behandlung oder außerhalb meiner Praxis im Umgang mit Menschen sehe und höre, das man nichtweiterreden darf, werde ich verschweigen und als Geheimnis bewahren …«
    Was Lauterbach unter einer neuen Medizin-Ethik versteht und wofür er ein unabhängiges Zentrum für Qualität in der Medizin propagiert, dürfte ungefähr das Gegenteil von dem sein, was Hippokrates wollte. Die Ärztezeitung: »Lauterbach schwebt eine Art kollektive Medizin-Ethik vor, und die Politik bestimmt, wer was wann und wo bekommt.« Heftigen Widerspruch erntete er von Ärztepräsident Jörg-Dietrich Hoppe. Damit solle wohl nur die Standardisierung

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