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Der verkaufte Patient

Titel: Der verkaufte Patient Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Renate Hartwig
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Staatsgewalt geht vom Volke aus.« Wer hätte gedacht, dass wir in der vermeintlichen Musterdemokratie Deutschland einmal an den Punkt kommen, dass demokratisch gewählte Kräfte quer durch die Parteienlandschaft sich so weit vom Volk entfernen, dass sie zu willfährigen Helfershelfern von Drittinteressen werden, dass sie mit windigen, bei Nacht und Nebel durchgepeitschten Gesetzen von mittlerer Haltbarkeit gegen das Grundgesetz operieren und dass sie mit Gewalt irreversible Zustände herstellen, die explizit das Gegenteil von dem sind, was das Volk will?
    Es grassieren bereits Witze als Ventil des Volkszorns. Dieser zum Beispiel: Autoverkäufer verkaufen Autos, Versicherungsvertreter Versicherungen. Und Volksvertreter?
Dann mach ich am nächsten Tag ein neues Gesetz
     
    Unter vier Augen blitzen schon einmal
Momente von Wahrheit
auf. Ein Jurist berichtet von einer heftigen Begegnung mit einem der führenden Gesundheitspolitiker, die in folgender Politikeräußerung gipfelte: »Ich weiß, dass Sie recht haben, aber Sie kriegen nicht recht. Wenn Sie es einklagen, dauert das zehn Jahre. Ich habe hier im Haus zehn Juristen … und wenn Sie gewonnen haben, dann mach ich am nächsten Tag ein neues Gesetz, dann können Sie wieder zehn Jahre klagen.«
    Was für eine Arroganz der Macht! Diese Politikergestalt, die von der grünen Gesundheitskarte träumt, verdient die rote Politikerkarte. Ein Verächter des Rechts macht Gesetze. Schade, dass ausgerechnet im Moment der Aussage keine Kamera, kein Mikrofon zugegen war. Der Jurist ist bereit, den Tatsachencharakter der entlarvenden Äußerung zu beeiden. Aber was hilft es ihm, wenn vor Gericht Aussage gegen Aussage steht? So weit ist der Zynismus gediehen: Unter vier Augen gibt man zu, dass es schamlose Despotie ist; es wird weiter gemauschelt, gedrückt und geschoben – und draußen vor dem Bürger baut man ein gewaltiges Potemkinsches Dorf auf, das wieder einmal (zum wievielten Mal denn noch?) »Gesundheitsreform« heißt. Auf Anregung von Friedrich Merz habe ich mir angewöhnt, nur noch von den
sog. Gesundheitsreformen
zu sprechen. Man fragt sich: Was sind das für Reformen, die alles noch teurer machen? Was treibt die politischen Akteure, den Großen in die Hände zu spielen und die Kleinen kaputt zu machen?
Berliner Verhältnisse
     
    Der Unabhängigkeit eines Friedrich Merz von der offiziellen Parteilinie ist es auch zu verdanken, dass ein weiterer
Momentvon Wahrheit
aufblitzen konnte. Merz hatte der Zeitschrift
CICERO
im März 2007 ein Interview gegeben, in dem er von der parlamentarischen Verabschiedung der jüngsten »sogenannten Gesundheitsreform« – eigentlich des »GKV-WSG« (GKV = Ges. Krankenvers., WSG = Wettbewerbsstärkungsgesetz) – berichtet, eines voluminösen Pakets von in der Praxis verheerenden (viele meinen grundgesetzwidrigen) Bestimmungen. Die Verabschiedung dieses weitreichenden Gesetzespakets war eine Farce.
    Doch hören wir Friedrich Merz: »Außer einigen wenigen Fachpolitikern haben die allermeisten Abgeordneten bei der Abstimmung über die Gesundheitsreform nicht gewusst, worüber sie abstimmen, noch konnten sie es jemals in Erfahrung bringen. Dieses Konvolut von mehr als 500 Seiten, das aus sich heraus weder lesbar noch verständlich war, dazu auf weit mehr als 100 Seiten Änderungsanträge am Tag vor der Abstimmung, hat uns zur Gesetzgebung im Blindflug gezwungen. Und was noch schwerer wiegt: Selten zuvor hat sich eine solche Vielzahl insbesondere von jüngeren Kolleginnen und Kollegen in beiden Koalitionsfraktionen von ihrer Regierung und ihren Fraktionsführungen so massiv unter Druck gesetzt gesehen wie bei dieser Abstimmung. Einzelnen Abgeordneten ist massiv gedroht worden mit dem Ende ihrer Karriere, die SPD erwog den Austausch gleich mehrerer kritischer Abgeordneter im Gesundheitsausschuss. Bei allem Verständnis für die notwendige Funktionsfähigkeit der Arbeit im Parlament, der Fraktionen und vor allem der Regierungsmehrheit: Das war zu viel. Und deshalb muss jetzt über diesen Einzelfall hinaus über Konsequenzen ernsthaft nachgedacht und öffentlich gesprochen werden. Wer diesen Diskurs jetzt noch verweigert, der lässt mit zu, dass das deutsche Parlament erneut vor die Hunde geht.«
    Immer wieder komme ich in diesem Buch auf Politiker zu sprechen – und meist kommen sie dabei nicht gut weg. Ich werfe ihnen sogar vor, dass sie den Ausverkauf unseres Gesundheitssystemsmit betreiben oder ihm hilflos zusehen. Meine These hierzu:

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