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Der verlorene Brief: Roman (German Edition)

Der verlorene Brief: Roman (German Edition)

Titel: Der verlorene Brief: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert M. Talmar
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worden.
    Tallia und Finn fassten sich an den Händen und drehten sich im Kreis, nass wie zwei in eine Regentonne gefallene Katzen, und sie lachten und prusteten und tanzten im Takt des Liedes, maná-i-maziá, khénma , núibra-khum, bis sie auf dem schlüpfrigen Untergrund ausglitten und unter heftigem Geplantsche in einer Pfütze landeten. Sie rappelten sich auf, sahen sich verdutzt an, nass und über und über schlammbespritzt, wie sie waren, und lachten wie die Kinder, bis beiden dämmerte, dass Glimfáin nicht zurückgekehrt war.
    Sie blickten sich suchend um.
    Sie konnten kaum etwas erkennen. Ihr Blick reichte kaum noch weiter als vielleicht fünfzehn oder zwanzig Klafter; dahinter versank alles in immer tieferen Schatten.
    Die Auwiese lag nun in fast völliger Dunkelheit. Der Mond war halb hinter den Khênaith Eciranth herabgestiegen, und nur das ferne Echo seines Lichts ließ sie die lange, gezackte, schwärzliche Linie der Berge vor dem Nachthimmel erahnen, als sie von Westen über Nord nach Osten blickten, wo außerhalb ihres Sichtkreises die Mürmel floss. Hatten eben noch Flammen an Gras, Busch und Baum gewütet, so kroch nun Rauch durch das durchnässte Ried wie ein dünner, brodelnder Nebel, aufgewühlt vom gerade herabfallenden Regen.
    An einer Stelle war der Rauch weißbläulich verfärbt. Von dorther erklang das fremdartige Lied, jetzt kaum mehr als ein Summen, und der wächserne Widerschein spiegelte sich schwach in nahen Pfützen. Sie fassten sich an den Händen und näherten sich dem Blaulicht vorsichtig. Sie gingen in seine Richtung, und während sie sich noch vorantasteten, wurde es dunkler und schwächer und schimmerte bald nur noch sechs Handbreit über dem Gras.
    Mit einem Husten und einem verzweifelten Röcheln endete der Singsang. Das blaue Licht erlosch im selben Augenblick. So plötzlich, wie er gekommen war, erstarb der Regen. Einige Tropfen folgten noch, schwer und laut plumpsend, wie in hohem Bogen geworfene Kiesel, die einen Teich in Unruhe versetzen. Dann kehrte eine seltsame Stille ein, in die allein das unerwartete Knacken etlicher verkrümmter Zweige immer wieder Lücken riss.
    Sie stolperten fast über eine leblos daliegende Gestalt, aus deren kraftlos gewordener Hand ein Ding in den Matsch rollte. Sie erkannten Glimfáins Bart an seinem unverwechselbaren Gestrüpp, obwohl er nur noch halb so lang war. Auch ein Gutteil seines Haupthaars fehlte. Der Dwarg stöhnte leise und lag auf dem Rücken, die blutigen Beine von sich gestreckt und bis zu den Knien von einer Wasserlache bedeckt. Im Licht des untergehenden Mondes und der vereinzelten noch glimmenden Feuerperlen boten die Beine des Dwargen einen schrecklichen Anblick: DieHosenbeine nurmehr kohlige Reste und der größte Teil des Stoffs ein Opfer der Flammen war die Haut kaum noch bedeckt, sodass sie eine Unmenge übler Blasen in der Form schwarzer Beulen sehen konnten.
    Alle Fröhlichkeit und Erleichterung, die sie eben noch verspürt hatten, gerann ihnen zu einer Grimasse des Schreckens. Finn fasste sich als erster. Er kniete sich neben eine der mächtigen Schultern in das wässrige Gras.
    »Kannst du mich hören, Glimfáin?«, fragte er leise. »Verstehst du mich?«
    »Er hat   … Feuer«, hauchte der Dwarg. »Feuer von Ulúrcrum.«
    »Ja, ich weiß«, sagte Finn. »Und du hast es irgendwie gelöscht, wenn ich auch nicht weiß, wie. Kannst du dich bewegen?«
    Glimfáin schüttelte schwach den halb im Wasser liegenden Kopf. Winzige Wellen kräuselten sich dadurch und dippten an den silbernen Helm, der ihm vom Scheitel gerutscht war. »Beine«, hörte Finn ihn flüstern. Dann kam, kaum noch verständlich: »Kalt.« Es schüttelte ihn wie in einem Krampf.
    Tallia sagte: »Er friert, Finn. Wir müssen ihn aus dem Wasser bringen.«
    Finn nickte. »Ja, ich habe es gesehen. Glimfáin   – wie kann   … soll ich dir helfen? Du liegst nämlich da, wo du liegst, reichlich falsch, Herr Dwarg. Warte, ich   … nein, du bist doch zu schwer. Tallia –   nimm den Arm an der anderen Seite. Vielleicht können wir gemeinsam   …«
    Sie konnten es, wenn auch nur mit äußerster Anstrengung.
    Tallia bückte sich, und beide fassten zu. Sie zogen und schoben, drängten und wuchteten den schweren Körper des Dwargs aus der Lache heraus. Das nasse Erdreich schmatzte, als sie ihn an den Schultern anhoben, so gut es eben ging; und sie zogen ihn mit vereinter Kraft auf eine Insel aus durchtränktem Ried hinauf, immer bemüht, seine Beine

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