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Der verlorene Brief: Roman (German Edition)

Der verlorene Brief: Roman (German Edition)

Titel: Der verlorene Brief: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert M. Talmar
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verbrannten Krone aufreckten wie die verkrampften Krallen eines im Sumpf versunkenen Untiers. Umgeben von verkrustendem Schlamm und Dreck und dem widerlichen Aschegeruch, der von den öligen Schlieren in den Pfützen aufstieg und die Luft verpestete.
    Schweren Herzens hatte er sie bei dem Dwarg zurückgelassen, nicht ohne ihr vorher einzuschärfen, sie solle Glimfáins Dolch gebrauchen, um sich gegebenenfalls zu verteidigen. Nicht nur der Ledir machte ihm Sorgen, sondern auch das eine oder andere Nachtgetier, das in den Wäldern des Hüggellandes umherstreifte.
    Zwar gab es oberhalb des Sturzes keine eigentlichen Raubtiere, wie Wölfe oder Bären, aber es strichen listige Füchse durch den Farn, und neugierige Borstler mochten ebenso auf tolldreiste Ideen kommen, wenn sie sich unversehens einem Vahitmädchen gegenübersahen. So hatte er den Dolch mitsamt der Scheide von Glimfáins Gürtel gelöst und ihn ihr in die Hände gedrückt. Doch sie hatte die lederne Hülle dankend neben sich gelegt, mit gleichsam spitzen Fingern, als bedürfe sie ihrer nicht oder sähe sich außerstande, die lange Klinge, die in Vahithänden schon ein kurzes Schwert darstellte, zu ihrem Schutz zu ziehen.
    So besorgt er war, so zügig schritt er aus.
    In einer Senke übersprang er einen winzigen Bach, der zur Mürmel hin enteilte. Dann fand er zu seiner Überraschung einen Pfad, vielleicht einen Wildwechsel, dem er folgte. Dadurch kam er dem Waldrand wieder näher und damit den wartenden Schatten. Knarrend rieben sich Äste aneinander, wenn ein stärkerer Windstoß in das Blätterdach fuhr.
    Ein plötzliches Rascheln unter dichten Farnen jagte ihm einenSchauer über den Rücken. Er verharrte und lauschte. Etwas flatterte, und dann hörte er den befriedigten Krächzlaut eines Uhus.
    Er atmete auf und ging weiter. Beim Abstieg in die nächste Senke fragte er sich, ob es nicht sogar klüger wäre, auf der Straße anstatt zur Schmiede gleich nach rechts abzubiegen, um aus Moorreet Hilfe herbeizuholen. Dort kannte er schließlich einen jeden, und er genoss das Vertrauen der Dörfler, auch wenn er des Nachts an ihre Läden pochen und alle Leute aus den Betten scheuchen würde. Dann rechnete er nach und verwarf den Gedanken wieder. Das Brada lag noch gut fünf Meilen weit entfernt, was etwas über eine Stunde strammen Nachtmarschs bedeutete.
    Bis er alles erklärt hätte, würde einiges an Zeit, und bis zum Aufbruch abermals Zeit vergehen   – kostbare Zeit, die sie unter gar keinen Umständen besaßen.
    Bis zur Schmiede hatte er indes nur knapp drei Meilen zu gehen, trotz des Umweges über die Straße. »Ich werde Herrn Abhro schon Beine machen«, versicherte er sich selbst; aber wenn es denn Mut sein sollte, den er sich damit zusprach, dann empfand er ihn nicht.
    Kurz darauf stolperte er die letzte Böschung hinab und erkletterte jenseits des Grabens die Straße. Sie lag verlassen da, ein graues Band unter teilnahmslos blinkenden Sternen. Keinen Steinwurf entfernt verschwand sie unter den sie überwölbenden Wipfeln und mündete in einen Tunnel aus gestaltloser Finsternis.
    Finn wendete sich nach links und folgte ihr in das knarrende Dunkel hinein.
    Spätestens jetzt hätte er alles für eine Fackel gegeben. Die Schwärze war so undurchdringlich und so dunkel wie Furgos beste Tinte. Aber er hatte weder Zündstein noch Zunder bei sich; beides verbarg sich in seinem Rucksack, und der lag auf seinem Bett im Gästehaus der Bücherey, gut bewacht von seinem Wacala; lauter Gegenstände, die dank seiner Sorglosigkeit so nutzlos waren wie Bholobhorgs Hilfe.
    Er lauschte   – vergebens. Jetzt, wo er ihn gebraucht hätte, blieb der Hammer natürlich stumm. Irgendwann hatte sein gleichmäßiges Schlagen aufgehört, war das Singen des Ambosses verklungen, aber Finn konnte sich nicht mehr erinnern, wann das gewesen war.
    Dann, irgendwann, wichen die Gräser zurück, die den Wegesrand säumten. Das musste der Hohlweg zur Schmiede sein, denn einen anderen Abzweig gab es nicht. Finn verließ die Straße und folgte dem schmaleren Karrenpfad, der für ihn nicht mehr war als ein mattes Grauschimmern inmitten von flüsternder Schwärze.
    Eine Viertelstunde später, auch wenn es ihm wie eine Ewigkeit vorkam, sah er ein trübes Licht zwischen den Bäumen hervorlugen; etwas links des Weges. Bald darauf hörte er den Fluss murmeln, und deutlicher noch, das mit jedem Schritt lauter werdende Rauschen des Wasserrades. Er folgte dem Knick des Weges und stand glücklich

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