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Der verlorene Sohn von Tibet

Der verlorene Sohn von Tibet

Titel: Der verlorene Sohn von Tibet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eliot Pattison
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Sicherheit, ob sie dort getötet wurde.« Es war eine Feststellung, keine Frage. »Offiziell wird nicht wegen Mordes ermittelt. Andernfalls hätten die Medien nämlich einen gewaltigen Wirbel veranstaltet. Eine tote Erzieherin in Dolans Haus wäre für die ein gefundenes Fressen gewesen.«
    Corbett runzelte die Stirn, sagte jedoch nichts. Shan starrte ihn verblüfft an. Der FBI-Agent hatte ihm erzählt, er sei wegen des Mordes nach Tibet gekommen. Shan dachte an das erste Gespräch mit Corbett zurück. Der Amerikaner hatte behauptet, der Tod des Mädchens hänge mit dem Raub zusammen. Andererseits hatte er Shan von dem merkwürdigen Zufall berichtet, durch den er an der Entdeckung und Bergung der Leiche beteiligt gewesen war. Es hatte nichts mit den eigentlichen Ermittlungen zu tun gehabt. Und in seinem FBI-Postfach war eine Nachricht eingetroffen. Der Chef hat herausgefunden, daß Sie sich für den Babysitter interessieren. Er hat die Akte schließen lassen. Shan hatte geglaubt, es ginge dabei um einen völlig anderen Fall. Das Wort »Babysitter« sagte ihm nichts. Damit mußte die Erzieherin gemeint sein, die Studentin, die gestorben war. Man hatte Corbett befohlen, den Tod der jungen Frau nicht weiter zu untersuchen. Dennoch war er nun hier im Erdtempel und riskierte seine Karriere und vielleicht sogar sein Leben, um eine Antwort zu finden.
    Punji McDowell wandte den Blick ab und ging weiter. »Warum haben Sie das Kind mitgebracht?« fragte sie plötzlich und klang dabei nicht mehr verärgert, sondern besorgt.
    »Dawa hatte keine Wurzeln«, sagte Shan. »Sie ist hergekommen,um ihre tibetische Familie und die alten Bräuche kennenzulernen. Ihre Eltern haben früher hier gelebt. Sie stammen vom Bumpari-Clan ab.«
    McDowell seufzte und lächelte bekümmert.
    »Sie ist hergekommen, um uns zu lehren, wie wir den Tempel verstehen können«, sagte Lokesh, als wolle er Shan korrigieren und ihn an Suryas Worte erinnern.
    »Die alten Bräuche sind bisweilen schwer zu verstehen«, sagte die Britin. »Ich dachte, am schwierigsten würde sein, überhaupt Zutritt zum Tempel zu erlangen.« Sie sah Shan an und sprach auf englisch weiter. »Wir haben das gleiche Ziel. Bringen Sie mich in die oberen Räume, wo sich die Aufzeichnungen befinden müssen, und ich lasse Sie gehen. Sie alle.«
    Shan musterte sie. »Zuerst müssen Sie uns etwas verraten. Warum haben Sie diese Grabstelle angelegt, die Ming gefunden hat?«
    McDowells grüne Augen blitzten auf. Sie hielt Shans ruhigem Blick eine Weile stand und lächelte schließlich. »Ich glaube, ich habe Ming lieber zum Gegner als zum Partner. Es war recht unterhaltsam.«
    »Sie mußten Fionas Gewand dafür hergeben.«
    »Das tat mir wirklich leid, aber sie hatte Verständnis dafür. Cousine Fiona und ich haben in den letzten Jahren oft zusammen Tee getrunken. Ich sagte ihr, es geschehe für Lodi. Die Gebeine in dem Grab stammen übrigens aus Zhoka. Fiona hat einem der Hirten ein Schutzgebet mitgegeben und ihn zum gompa reiten lassen, um die Knochen zu holen. Sobald alles vorbei ist, werde ich eine Woche bei ihr bleiben und ihr all ihre Bücher vorlesen, das habe ich fest versprochen.«
    »Sie haben Ming zum Gegner? Wie meinen Sie das?« fragte Yao und sah McDowell forschend ins Gesicht. »Ein Streit unter Dieben?«
    »Schon wieder ein Irrtum. Ich bin keine Diebin«, erwiderte sie barsch.
    Yao runzelte die Stirn und hob beide Hände. »Gerade eben haben Sie uns noch erzählt …« Er hielt inne, denn ihm fiel auf, wie Shan und McDowell sich ansahen.
    »Liegen dem FBI Erkenntnisse darüber vor, ob Lodi und Miss McDowell jemals einen anderen Diebstahl begangen haben?« fragte Shan den Amerikaner, ohne den Blick von der Frau abzuwenden.
    »Nein«, antwortete Corbett. »Soweit wir wissen, haben sie nie auch nur einen Strafzettel für falsches Parken kassiert. Worauf wollen Sie hinaus?«
    »Sie war keine Diebin«, sagte Shan und ließ fieberhaft Revue passieren, was McDowell zu ihnen gesagt hatte und was nicht. »Sie war eine Kurierin. Es war noch jemand dort. Jemand, der das Sicherheitssystem ausgeschaltet hat. Lodi und Punji haben bloß die Sammlung weggetragen.«
    McDowell lächelte matt, wandte sich ab und ging zur nächstbesten Wand, als würde sie sich auf einmal für das Gemälde einer grünen Gottheit interessieren.
    »Diese Leute haben jahrelang zusammengearbeitet«, erläuterte Shan. »Lodi, Ming, Khan, McDowell und jemand aus Dolans näherem Umfeld.« Er wandte sich an Corbett.

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