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Der verlorene Sohn von Tibet

Der verlorene Sohn von Tibet

Titel: Der verlorene Sohn von Tibet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eliot Pattison
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eilen wollte, trat Corbett dem Mongolen in die Beine und brachte ihn zu Fall. Khan stürzte schwer zu Boden und rang nach Luft, während Shan versuchte, das Gewehr an sich zu bringen. Doch Lu ließ es nicht los, sondern hieb Shan den Lauf auf den Kopf. Trotzdem konnte Shan ihm schließlich die Waffe entreißen. Ko schlug immer wieder zu, und Lu wehrte sich nicht; er wand sich und wich gegen die Wand zurück. Auf einmal schien Ko das Gewehr in Shans Hand zu bemerken und sprang vom Rücken des Chinesen. Er starrte kurz seinen Vater an und schaute dann Lu hinterher, der zwischen die Ruinen floh. Dann betrachtete er die eigenen Hände, als würde er gar nichts mehr begreifen, gleichermaßen schockiert über Punjis jähen Tod wie über das eigene Verhalten, das es ihm unmöglich gemacht hatte, mit den Dieben zu fliehen.
    Corbett und Yao umkreisten den Mongolen. Liya schloß sich ihnen an. Sie hielt ein abgebrochenes Stück Holz in der Hand, Teil eines früheren Balkens. Punjis Mörder hob beide Fäuste, aber sein Blick war auf das Gewehr in Shans Händen gerichtet.
    Ko blickte auf und nickte. Er sah dabei die Waffe an, nichtseinen Vater. Auch Shan musterte das Gewehr, drehte es um, packte es am Lauf und schleuderte es weit hinaus in die Schlucht. Khan grinste, beugte sich vor, stieß Liya beiseite und packte mit spöttischer Miene Punjis Rucksack, der das zerrissene thangka enthielt. Dann rannte er los, dicht gefolgt von Corbett und Yao. Shan schaute zu Ko, dessen Gesichtsausdruck erst Verwirrung, dann Wut und schließlich Verachtung erkennen ließ. Nachdem Shan sich durch einen schnellen Seitenblick vergewissert hatte, daß Lokesh weiterhin Dawa hielt, lief er in die Richtung, in die Lu verschwunden war.
    Er fand den kleinen Han kaum fünfzig Meter entfernt im Schatten einer Gasse wieder, wo er soeben in ein kleines schwarzes Gerät sprach. Shan näherte sich langsam und so leise wie möglich von hinten. Lu war sehr aufgeregt und gestikulierte eifrig mit der freien Hand. Und er sprach perfektes Englisch. Shan hörte ihn »ja« und »morgen« sagen, und danach versprach er, es würde nun keine weiteren Probleme mehr geben. Punji hatte versichert, Lu verstehe kein Englisch, und sie hatte ihnen auf englisch den Fluchtweg beschrieben. Nur wenige Sekunden später war Lu an der Tür der Kammer aufgetaucht. Er mußte alles mit angehört haben. Hier draußen hatte er die Neuigkeit mit Hilfe des schwarzen Kästchens an jemanden weitergegeben, und dieser Unbekannte hatte daraufhin Punjis Tod angeordnet. Nun meldete Lu den Vollzug des Befehls.
    Shan nahm einen Stein und warf ihn in hohem Bogen über Lu hinweg. Als der Chinese das Geräusch des Aufpralls hörte und sich zur Flucht umwandte, stand Shan direkt vor ihm und verstellte ihm den Weg.
    »Sagen Sie ihm, er kann sich nicht länger hinter seinen Lügen verstecken«, sagte Shan auf englisch.
    Als Lu herumwirbelte, packte Shan ihn am Arm, und das schwarze Kästchen fiel zu Boden. Der Chinese wand sich, stieß Shan gegen eine Mauer, riß sich los und ergriff Hals über Kopf die Flucht.
    Shan kehrte auf den Torhof zurück und nahm das Gerät etwas genauer in Augenschein. Auch Corbett und Yao trafen wieder dort ein. Punjis Mörder war ihnen entwischt.
    »Ming.« Yao stieß das Wort wie einen Fluch aus.
    Corbett nickte und nahm das Kästchen. Dann verfinsterte sich seine Miene. »Das ist kein Funkgerät, sondern ein Satellitentelefon«, erklärte der Amerikaner und wies auf das Tastenfeld. »Er kann mit sonstwem gesprochen haben. Vielleicht ist …« Seine Stimme erstarb, und er betrachtete das kleine Display oberhalb der Tasten. Eine kalte Wut legte sich auf seine Züge. »Das Gerät hat eine Wahlwiederholung«, sagte er mit eisiger Stimme. »Man kann damit automatisch die zuletzt gewählte Nummer anrufen.« Er zeigte ihnen die Ziffernfolge auf dem Display. »Es ist ein amerikanischer Anschluß. In Seattle.« Er drückte eine Taste und streckte das Telefon aus, so daß Yao und Shan mithören konnten.
    Nach einem Moment ertönten zwei Rufzeichen, und dann meldete sich mit forscher, klarer Stimme eine Frau. »Croft Antiquities.«
    Corbett hob das Telefon an den Mund. »Ist Mr. Croft da?«
    »Mr. Croft ist derzeit nicht im Haus«, sagte die Frau nach kurzem Zögern. »Wer spricht dort, bitte?«
    Corbetts Blick richtete sich auf Yao. »Ermittler Yao vom chinesischen Ministerrat. Richten Sie ihm aus, die chinesische Regierung habe ein paar Fragen an ihn. Sagen Sie ihm, er habe soeben

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