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Der verlorene Troll

Der verlorene Troll

Titel: Der verlorene Troll Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Coleman Finlay
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liegengeblieben war.
    Vierzig Fuß über ihnen lag Made flach auf einem der breiten Äste des Tulpenbaumes. Er hielt den Schädel an den Haaren und schwang ihn hin und her, um Gewicht und Entfernung abzuschätzen. Dann ließ er los.
    Der Kopf des Toten segelte durch die Luft. Als er einen Bogen beschrieb und sich dem Boden näherte, schickte Made noch seine Stimme hinterher.
    »Iiiaaaaaaah!«
    Die Männer schauten auf, und in dem Moment traf der Schädel den Mann mit den Waffen. Er schrie und ließ sämtliche Speerspitzen und Pfeile klirrend zu Boden fallen, ehe er gefolgt von den anderen davonrannte. Zwei, die etwas mutiger waren, blieben in kurzer Entfernung wieder stehen, aber als ihre Gefährten weiterrannten, folgten sie ihnen.
    Made schlang die Arme um den Stamm und rutschte rasch den Baum hinab. Er suchte den Schädel und stopfte ihn in einen Murmeltierbau, damit sie ihn nicht finden konnten. Dann rannte er weiter und folgte dem schwachen Ziehen in seinem Herzen zu den tiefer gelegenen Tälern.
    Die Eindringlinge hatten eine Spur aus zertrampeltem Gras und klebrigen Haufen von Mammutdung hinterlassen, die selbst ein tumber Tor oder ein Stein hätte aufspüren können. Doch weil Made hinter ihnen herlief, blieb er weiter hungrig. Das Wild floh vor dem Heereszug, und das Wolfsrudel und die Horden wilder Hunde, die den Soldaten argwöhnisch folgten, verschlangen alles Aas und sämtliche Essenreste und scheuchten die Nager und anderen kleinen Tiere in ihre Verstecke. Made fing Grashüpfer, kletterte auf Bäume, um Eier zu suchen, und sammelte Samenhülsen - eine kleine Mahlzeit da und dort.
    Als der Pfad ihn zum Ufer eines unbekannten Flusses führte, der sich zwischen zerklüfteten Bergen dahinschlängelte, folgte er ihm stromaufwärts zu den Quellflüssen. Eines Morgens erreichte er den Ursprung des Flusses und entdeckte dort die kalte Asche des Heerlagers. Nun waren sie ihm keinen Tag mehr voraus. Es gab keinen besonderen Grund, warum er dem Heer folgte; es schien einfach in die gleiche Richtung zu ziehen wie er. Nachdem er die Wasserscheide überquert hatte, zog er dem Heer dort an einem ähnlichen Flusslauf hinterher.
    Diesem folgte er den ganzen Tag und rannte auch in der Dämmerung weiter, von Hunger gejagt. Nachdem sich die Dunkelheit über die Welt gelegt hatte, kam er zu einer Ansammlung von Gebäuden, ähnlich wie die Siedlung, die er mit Sinnglas überfallen hatte. Dort musste es doch etwas zu essen geben. Vorsichtig schlich er näher und huschte geduckt zu einer kahlen Wand, über die sich kaltes Mondlicht ergoss…
    Auf einmal kam die Erinnerung an die Frau, die er aufgeschlitzt hatte, über ihn, wie sie an der Wand lehnte, nachdem er sie niedergestochen hatte, der Klang ihrer Stimme, als sie vor Schmerzen wimmerte. Ein harter Klumpen Galle schoss ihm in den Hals.
    Er versuchte, nur an seinen Hunger zu denken, und floh.
    In kurzer Folge passierte er mehrere Häuser, alle auf die gleiche Weise gebaut, die neben dem Pfad oder in den Hügeln darüber standen. Die meisten wurden von einem Feuer im Innern beleuchtet. Dahinter öffnete sich vor ihm auf einmal ein breites Tal, flankiert von baumbedeckten Hängen, im Schatten eines kahlen Bergs. Ein Steingebäude, größer als alle Häuser, die er in Damaquas Dorf oder anderswo gesehen hatte, thronte auf einer Anhöhe. Er rannte unter den Bäumen dahin, wirbelte die alten Kiefernadeln mit den Füßen auf und roch nichts weiter als ihren Duft, bis die Schreie von Tieren und Menschen durch die Nacht drangen.
    Unter dem steinigen Felsvorsprung, auf dem die Steinhütte prangte, breitete sich auf einer gerodeten Fläche ein Zeltlager aus, wie jenes, das er damals neben dem Fluss gesehen hatte. Riesige Feuer leckten mit ihren Flammenzungen am Nachthimmel, und in der Luft lag der Geruch von gebratenem Fleisch. Made glitt zwischen den Bäumen entlang, bis er auf wenige hundert Meter herangekommen war, nah genug, um ihre Stimmen zu hören, auch wenn er die einzelnen Worte nicht verstand. Mehrere Menschen gingen an einem der Feuer vorbei, die massige Gestalt des einen schien ihm vage vertraut. Ein bärtiger Mann mit einem Trollbauch. Einer der Männer, die den Löwen gejagt hatten.
    Ihm folgte eine dünnere Gestalt, ebenso groß, die nun stehenblieb und die Hände in die Hüfte stemmte. Gelächter drang durch die Dunkelheit zu Made herüber.
    Die Frau!
    Das war unmöglich. Aber dort unten stand sie.
    Seine Hand umklammerte die Ketten an seinem Hals. Wie sollte er nur

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