Der verlorene Troll
plätschern rote Wellen
Über den Dämonenschnellen.
Bei diesem letzten Vers hob der Mann den Sack mit dem zappelnden Inhalt. Der Uralte stellte die Hautwulst an seinem Kopf auf und lehnte sich zurück, als wolle er gleich angreifen.
Made sprang auf und trommelte das Gefahrensignal der Trolle auf seine Brust. Dann legte er die Hände an den Mund.
»Antworte ihm nicht! Fliehe!«
Das Lied wurde leiser und verstummte jäh, während der alte Mann zurück ans Ufer stolperte. Beim Klang von Mades Stimme zog der Dämon den Kopf ein. Schneller, als man von einem Wesen dieser Größe erwarten würde, glitt er durch das Wasser, seinen Körper abwechselnd krümmend und streckend.
Mades Füße rutschten auf dem schlammigen Ufer aus und seine vom Hunger und der langen Reise beeinträchtigten Reflexe waren zu langsam, um den Sturz abzufangen. Das schuppige Antlitz schoss aus dem Wasser und stellte die Hautwulst an seinem Kopf auf.
Ein Nebel hüllte Made ein, brannte in seinen Augen und seiner Nase und versengte seinen Hals wie die nackte Sonne. Er schlug die Hände vors Gesicht und glitt über das abschüssige Ufer zum Wasser. Seine Glieder wurden schlaff. Etwas Weiches, Nasses umschloss seine Beine - hätte er gekonnt, hätte er geschrien und um sich getreten, aber sein Körper fühlte sich an, als sei er plötzlich aus einem Traum erwacht, gelähmt und unfähig, sich zu rühren.
In der Ferne hörte er die Stimme des alten Mannes. Die Worte waren wie Fische unter Eis: Made sah ihre Gestalt, konnte sie aber nicht erreichen. Selbst mit zusammengepressten Augen bekam die Welt einen silberglänzenden Überzug, von schillernden Farben durchsetzt.
Die Schlingen um seine Beine zogen sich enger zusammen und pressten seine Knöchel unangenehm schmerzhaft gegeneinander. Langsam rutschte Made auf dem Rücken ins Wasser, während sich seine tauben Finger in den zähen Lehm gruben. Die Enge erreichte seine Brust. Er holte Luft und konnte nicht mehr ausatmen.
Dann war die Welt nicht mehr silbern, sondern schwarz, und die Feuer erloschen. Made verspürte so etwas wie Erleichterung - Sehnsucht versank im tiefen Wasser und gab alle Träume frei.
Kapitel 19
Eine größere Höhle hat er noch nie gesehen, mit einer so vollkommenen, beruhigenden Schwärze an ihrem Grund. Sein Geist schwebt, von seinem Körper getrennt. Er segelt den breiten, kohleschwarzen Tunnel zur Oberfläche hinauf, und als er nach den Wänden greift, um seinen Auftrieb zu verzögern, rutschen seine Hände ab wie nackte Füße auf nassem Fels.
Am Ende des Tunnels wartet die Mittagssonne, zuerst nur ein schwacher Funke, der sich dann zu einem strahlenden Hitzekreis ausbreitet. Made sieht die Sonne und fürchtet sich. Sonne bedeutet Tod, Licht bedeutet Tod, und er sehnt sich danach, in die sichere Dunkelheit zurückzukehren. Er heult wie ein kleines Kind, wie ein verängstigter Säugling, Lärm prasselt auf seine Ohren ein wie ein Wasserfall auf die Felsen. Er ruft nach jemandem, egal wem, der ihn packen und zurückziehen soll, aber die Trolle sind alle weit hinter ihm. Selbst seine Mutter vermag den Tunnel nur ein kurzes Stück emporzuklettern; sie ruft ihm etwas zu, aber ihre Stimme wird kalt wie Stein im Winter, voll von Eiskristallen, bis sie abbricht und in Scherben und Splitter zerspringt.
Die Sonne füllt die ganze Höhle aus, nur am äußersten Rand der Höhle hält sich die Dunkelheit. Made windet sich. Er streckt die Hände aus, um sich an diesen schwarzen Kreis zu klammern, den er aus den Augenwinkeln immer noch sehen kann, und versucht, die Füße gegen die Tunnelwand zu stemmen. Seine Glieder sind zu schwer, um sich zu bewegen, starr, als wären sie mit Seilen oder Ranken gefesselt.
Schließlich gelingt es ihm, seinen Fall aufzuhalten.
Und er sieht, dass die Höhle keine Höhle ist, sondern ein Mund und ein Hals, und er sich mittendrin befindet. Die Sonne ist keine Sonne, sondern ein Ei, ein tiefgelbes Eigelb, von lauter Rissen durchzogen. Aus dem Innern des Eis dringt eine Stimme hervor. Dann zerreißt auf einmal etwas, und er stürzt in die Tiefe, wie eine Spinne, deren Faden durchtrennt wurde. Er saust den Hals hinab, bis dieser sich öffnet wie eine riesige Höhle, und aus dieser Höhle wird die Nacht. Sterne funkeln überall. Er stürzt zur Erde hinunter, schlägt Purzelbäume beim Fallen, der Boden rast ihm entgegen, während das silberne Schildkrötenei des Vollmonds ihn anlacht. Schließlich schlägt er auf dem Boden auf. Nach dem harten
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