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Der verlorene Troll

Der verlorene Troll

Titel: Der verlorene Troll Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Coleman Finlay
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Brücke und ließ ihn ins Wasser fallen. Zu Mades Überraschung sank er rasch, obwohl er so leicht war, und wurde von der Strömung in den tiefen Graben neben den Leichnam des Uralten gezogen. Die Fische stoben auseinander wie Wellen nach einem Steinwurf und kehrten dann langsam in kleinen Grüppchen zurück. Der kleinere Uralte glitt an dem Kadaver entlang und legte sich über ihn. Wenn ihre Häute einst zu Gelapa gesprochen hatten, sprach seine Haut nun vielleicht zu ihnen.
    Drei Pfade lagen vor Made: Der eine führte flussaufwärts zu der Frau, die er zwar begehrte, der er sich jedoch nicht verständlich machen konnte, der zweite bog sich flussabwärts, wohin ihn das kaum merkliche, aber stets gegenwärtige Ziehen in seinem Herzen trieb. Der dritte führte jenseits der toten Hüllen von Damaqua und Tanaghri über einen Pass. Dort würde er Sinnglas finden. Und Sinnglas musste erfahren, was geschehen war.
    Im Wissen, dass er eines Tages alle drei Wege beschreiten würde, wählte Made den dritten Pfad. Er überquerte die Brücke und bestieg den Berg hinter den Leichenpfählen.
    Vögel schrien und flogen auf, als er näherkam, nur um sich wieder in die Bäume herabfallen zu lassen, sobald er vorbei war. Während seine Füße eine Wegstunde nach der anderen zurücklegten, fand er seinen Appetit wieder. Wilde Weintrauben baumelten an den Reben, die sich an den Bäumen neben dem kleinen Fluss emporrankten. Viele Trauben hingen bereits verschrumpelt und schwarz an den Trieben, aber ein paar waren immer noch reif. Made packte die Ranken und streifte die Blätter ab. Dann pflückte er eine Traube nach der anderen und schob sich die dunklen, saftigen Früchte in den Mund, bis sein Bauch voll war. Anschließend kletterte er hinunter zum Ufer, um sich den sauren Nachgeschmack aus dem Mund zu spülen und seinen Durst zu stillen.
    Später am Tag erreichte er eine breite Wiese. Der Bach schlängelte sich um eine bewaldete Anhöhe mit einigen umgestürzten Bäumen und ein paar Felsbrocken, die sich zwischen den Wurzeln türmten. Ein Zweig baumelte wie ein gebrochener Flügel an einem geborstenen Stamm.
    Er war schon einmal hier gewesen, damals, als er die Frau zum ersten Mal sah und Sinnglas vor der Flut rettete, aber der Ort hatte sich ebenso verändert wie Made. Keine vollständige Wandlung, eher wie eine Weinranke, die einen Zweig oder einen Baum erklimmt und sich emporwindet, um eine Höhe zu erreichen, wo sie vielleicht Früchte tragen kann.
    Wolken von Mücken wurden durch seine Anwesenheit aufgescheucht, und er lief schnell weiter, um ihnen zu entkommen.
    Eine große, angespannte Ruhe lag über dem Tal, als er es durchquerte. Nur wenige Tiere waren unterwegs, und alle flüchteten hastig, als sie seinen Geruch witterten. Er schlief, wenn er müde wurde, und suchte sich wilde Früchte, wenn er Hunger hatte - so verbrachte Made die Nacht und einen weiteren Tag, ehe er Sinnglas’ Dorf erreichte.
    Wieder brach die Nacht herein, aber diesmal brachte sie Made keinen Trost. Der Mond hing wie ein bleiches Lid am Himmel. Die Sterne - die Augen der Trolle, die Horde all ihrer Toten - kamen heraus und starrten ihn durch die Dunkelheit an. Als er den Berg erreichte, auf dem das Dorf lag, sah er, dass der Holzzaun niedergerissen war. Junge Männer johlten, aber es klang nicht wie der Tanz, dem sich Made einst dort angeschlossen hatte. Dann flog ein einsames, schmerzerfülltes Wimmern durch die Nacht wie der traurige Ruf einer Eule.
    Mades Schritte wurde langsamer. Er sog die kühle Luft tief in sich ein und stieg den Hang hinauf, dorthin, wo früher einmal das Tor gewesen war.
    Die Umzäunung war eingestürzt und verkohlt, aber die Zerstörung im Innern war noch weit schlimmer. Die Ratshütte war niedergerissen, auch sämtliche anderen Hütten lagen in Trümmern, und der heilige Pfahl des Uralten Volkes, unter dem Gelapa früher gesessen hatte, ragte nicht länger über den Köpfen der Krieger auf, die sich dort versammelt hatten.
    Made schob sich seitlich durch den Kreis der Männer, immer wieder hörte er Rufe des Erkennens, bis er Sinnglas in der Mitte entdeckte. Da waren zwei Männer…
    »Sinnglas, mein Bruder«, sagte er.
    Sinnglas drehte sich hastig zu ihm um, und seine wütende, verzerrte Miene verwandelte sich in ein freudiges Lächeln. »Mahdeh, mein Bruder! Wie gut, dass du jetzt zu uns stößt.« Er streckte die Arme aus, damit Made sie zur Begrüßung umfassen konnte. In der einen Hand hielt er ein Messer.
    Made trat einen

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