Der verlorene Troll
winzigen Faust die Augen und gähnte. Flink krabbelte er zu Xaragitte. Er zupfte an ihren Miederschnüren, schob sie sich in den Mund und jammerte.
Yvon zögerte erst und löste dann die Schnüre. Er schob den Stoff mit den Fingerspitzen beiseite und hob vorsichtig ihre Brust. Claye drängte sich an Yvons Hand vorbei und bohrte mit der Nase suchend zwischen den blassen Falten, bis sein Mund die Brustwarze gefunden hatte. Er saugte zufrieden und schlief ein, an den Busen der Amme gekuschelt.
Das Dunkelblau des Himmels verwandelte sich in Schwarz. Weil er von der kühlen Luft eine Gänsehaut bekam, nahm Yvon seine Decke und legte sie über Xaragitte und Claye. Dann hüllte er sich in seinen Mantel.
Irgendwann sank ihm das Kinn auf die Brust und blieb dort liegen.
Er schlief, und in seinem Schlaf träumte er von Xaragitte. Sie lag bei ihm und er bei ihr, so wie Männer und Frauen beieinander lagen, und es war gut, Balsam auf eine alte Wunde. Sie stöhnte vor Lust, als sich ihre Körper trafen, aber dann verwandelte sich der Traum in etwas anderes, einen Schatten, der sich in der Dunkelheit bewegte, das Rascheln von Füßen im Gras, und er schlug die Augen auf. Er war erregt, obwohl er ein gutes Stück von ihr entfernt saß.
Xaragitte stöhnte wie in seinem Traum und doch anders. Es war dunkel, er konnte sie kaum sehen. Aber etwas stimmte nicht.
»Wusste doch, dass du nicht ihr Onkel bist«, sagte eine Stimme, wohl in der Hoffnung auf eine Antwort, die ihr zeigte, wo sie lagen.
Yvon rührte sich nicht und schwieg. Ganz langsam zog er sein Messer aus der Scheide.
»Kannst ihre Tür ruhig offen lassen für mich, wenn du fertig bist, toter Mann«, sagte die Stimme, diesmal etwas lauter. Eine Gestalt trat aus der Dunkelheit und blieb zögernd stehen, das Schwert kampfbereit erhoben. Ein Ritter? Nein. An Größe und Bewegungen erkannte Yvon den Soldaten vom Nachmittag zuvor. Ein Ritter musste ihm die Erlaubnis für den Mord gegeben haben, zusammen mit seinem Schwert. So etwas kam gelegentlich vor. Mit erhobener Waffe tat der Mann zwei vorsichtige Schritte in Xaragittes Richtung. »Hörst du mich?«
In diesem Moment stürzte Yvon sich auf ihn. Er schlug ihm hart zwischen die Rippen, schlang die Arme um ihn und riss ihn zu Boden. Der Soldat keuchte auf, und sein Schwert wirbelte durch die Luft. Sogleich stieß Yvon mit seinem Messer zu und schnitt ihm die Kehle durch. Das Gesicht des Mannes erstarrte, und jeglicher Ausdruck auf seinem Gesicht wich zusammen mit seinem Blut aus seinem Körper.
Yvon erhob sich und schaute sich suchend nach weiteren Angreifern um. In der Ferne war ein Schnarchen zu hören, sonst war alles still. Er schaute auf den toten Soldaten. Dasselbe hätte er mit diesem Welpen von einem Ritter bei der Burg machen sollen. Er war wütend, frustriert und sehr müde. Dann bückte er sich, durchtrennte die Hosenkordel des Mannes und riss ihm die Hose bis zu den Knien runter.
Er suchte nach dem Messer des Fremden und stieß es ihm in den Leib, dass der Knauf hoch aufragte. »Feiger, kleiner Scheißkerl«, murmelte er.
Nachdem er sein Schwert sorgfältig an den Kleidern des Toten abgewischt hatte, durchsuchte er die Taschen nach Wertsachen, fand aber nichts. Dann weckte er Xaragitte. Sie mussten fliehen, ehe die Soldaten des Barons erwachten.
Sie setzte sich auf und starrte Yvon an. Dann band sie sich das Mieder, das schlafende Kind im Arm. In der Dunkelheit war nicht zu erkennen, wie lange sie ihn schon beobachtet oder was sie gesehen hatte.
»Das Band ist durchtrennt«, sagte sie. »Lady Gruethrists Lebensfunke ist erloschen.«
Kapitel 5
Clayc hing wie ein totes Gewicht an Xaragittes Brust, der kleine Mund weit offen, ein Arm hin und her baumelnd.
Yvon stopfte ihre Decken in das Bündel. »Wir müssen los«, flüsterte er. Den Soldaten, den er getötet hatte, erwähnte er nicht, ebenso wenig wie Lady Gruethrist.
Xaragitte nickte und stand auf. Ihre Schultern sackten zusammen, sobald sie Claye ins Tragetuch gelegt hatte.
»Ich kann ihn tragen«, bot Yvon an.
»Ich trage ihn. Ihr bringt uns in Sicherheit. So wie Ihr es versprochen habt.«
»Das werde ich.« Auch wenn er keine Ahnung hatte, wie er das anstellen sollte. Sie mussten die Brücke bei der Burg überqueren, um den Weg zu Lady Eleuates Festung zu erreichen, aber dort würde man sie sicher anhalten und vermutlich auch erkennen. Nähmen sie den längeren Weg und überquerten den Fluss nahe seiner Quelle in den Bergen, hatten die Männer
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