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Der verlorene Troll

Der verlorene Troll

Titel: Der verlorene Troll Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Coleman Finlay
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schienen sie die ganze Zeit zu schlafen und ließen sich leicht packen. Im Mund schmolz so eine Fledermaus dahin wie eine Handvoll Schnee. Selbst ein ganzer Haufen von ihnen ergab keine anständige Mahlzeit, aber man konnte immerhin genüsslich daran kauen.
    Windy seufzte. Der Winter war die beste Jahreszeit für einen Troll. In der Kälte fiel es ihnen leichter, rege zu bleiben, und die Nächte waren so lang, dass genügend Zeit zum Essen und Spielen blieb. Das Beste war jedoch, dass es die Jahreszeit des Fleischs war. Die schwächeren Tiere erlagen den raueren Temperaturen, und ihre Kadaver versanken in den tiefen Schneeverwehungen, sodass die Trolle genug Aas fanden. Sie kratzte sich erst am Nacken, dann am Ellbogen. Graue Hautschuppen schwebten wie Schneeflocken durch die Luft. Ein einziges Ärgernis gab es im Winter - die dicke Trollhaut trocknete aus, bis sich große Hautschuppen lösten; und die neue Haut, die darunter zum Vorschein kam, war rosa und juckte.
    Sie dachte an Mades empfindliche Haut; sie war mittlerweile längst nicht mehr so weiß, sondern von der Sonne braun gebrannt und wund gerieben vom Wind. Seine Fettschicht war so dünn, dass sie sich fragte, wie er sich überhaupt warm hielt. Im Vergleich dazu erschien ihr das lästige Jucken längst nicht so schlimm.
    Die letzten Trolle rappelten sich einer nach dem anderen aus ihrem Tagschlaf auf. Kinder gab es keine mehr in der Horde, das letzte war im Sommer von einem Höhlenbären getötet worden, und keines der Weibchen war schwanger. Dennoch stellten diese siebzehn Trolle die größte überlebende Horde der gesamten östlichen Berge dar. Windy wusste von einer neunköpfigen Horde bei den Schwarzwasserfällen und von je sieben Trollen in den Horden bei der Schlucht am tiefen Fluss und bei den Schwefelquellen. Manche sagten, weiter nördlich lebten noch mehr, in der Gegend bei den Schwarzfelsen oder in der Nähe des Großen Tiefen Wassers. Die letzten Überlebenden vom Gescheckten Berg ganz im Süden hatten sich vor wenigen Wintern nach Norden aufgemacht, auf der Suche nach einer Gegend ohne Menschen. Viele Trolle glaubten, im Westen jenseits des Sonnenuntergangs würde es noch große Gruppen von ihnen geben, aber kein lebender Troll hatte diese je gesehen.
    Ein Schatten senkte sich über den Höhleneingang. Während die Trolle sich auf diesen Vorgeschmack baldiger Dunkelheit stürzten, kam eine dünne, fast skelettartige Gestalt in die Höhle.
    Eines der jüngeren Weibchen japste: »Was für ein hässlicher Troll!«
    »Er ist wunderschön!«, knurrte Windy. Die Mädchen kicherten, und sie merkte, dass man sie genarrt hatte.
    Made war immer noch klein, nicht einmal sechseinhalb Fuß groß, und mit seinen etwas mehr als zweihundertzwanzig Pfund unerträglich dünn, aber mehr konnte man von einem Menschen nicht erwarten.
    Mittlerweile war er achtzehn oder neunzehn Winter alt - Windy hatte die Jahre nicht mehr im Kopf. Seine bleiche Haut war übersät von Narben, sie konnte sie gar nicht mehr zählen, geschweige denn, sich an alle erinnern. Die neuen und die alten bereits verblassten Wundmale überlappten einander, von den zahlreichen tiefen Kratzern, die ihm die scharfen Nägel anderer Trolle zugefügt hatten, bis zu den zwei langen, roten, gewundenen Narben an einem seiner Schenkel von der Begegnung mit einem Großzahnlöwen. Einige der Wunden hatte er ihr nie erklärt, und sie hatte nicht danach gefragt.
    Ambrosius schnaubte. Er war das größte Männchen der Horde. Die Jahre hatten ihm einen felsendicken Bauch gebracht und vielleicht auch ein wenig Weisheit. Er stand neben seiner Partnerin, einem hübschen, jungen Trollweibchen namens Kliff, und musterte Made mit bösen Blicken. Dann rümpfte er angewidert die Nase und drängte sich nach vorne.
    Windy schnupperte und witterte den Geruch vieler Menschen, obwohl nur ihr Sohn vor ihr stand. »Made?«
    Er trat vom Licht in die Dunkelheit. Nun konnte sie ihn deutlich erkennen. Er hatte etwas an den Füßen, nicht Tierhäute wie sonst, sondern merkwürdige Hüllen, die geformt waren wie die Vorderbeine von Rehen. Von ihnen kam der Menschengeruch und auch von dem Fell über seinen Schultern.
    »Endlich offenbart er seinen wahren Geruch«, sagte Ambrosius und sah Windy an. »Und dieser Troll, wenn man ihn so nennen will, soll unser Oberhaupt werden?«
    Ehe sie etwas erwidern konnte, rief einer der jüngeren Trolle: »Bringst du reifes Fleisch, Made?«
    Ihr Sohn nickte in Richtung Höhleneingang: »Das

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