Der verlorene Troll
Hinterteil von einem Buckelrücken.«
Die anderen Trolle schauten Windy erwartungsvoll an. Sie schürzte die Lippen, als hätte sie den Mund voll, und gab damit ihr Einverständnis, woraufhin sich alle an ihr vorbei aus der Höhle drängten. Rufe und kleinere Zankereien wurden laut, während der Buckelrücken aufgeteilt wurde.
Windy schaute Made an und fuhr mit den Finger spitzen über seine neuen Häute. »Woher hast du die?«
»Ich habe sie gestohlen, was sonst?« Er hielt ihr das alte Metallmesser hin, das er die vergangenen drei Jahre benutzt hatte - noch etwas, das er gestohlen hatte. »Nimm du es.«
An einer Schnur um seinen Hals hing eine Hülle mit einem neuen Messer.
»Danke«, sagte sie. Ihre Faust schloss sich um den Knauf.
»Du solltest es immer bei dir tragen«, sagte er.
»Diesmal mache ich es bestimmt.« Er hatte ihr schon früher solche Geschenke gemacht, aber in Wahrheit war das Messer längst nicht so scharf und gefährlich wie ihre eigenen krallenartigen Nägel. Außerdem vergaß sie immer wieder, wo sie diese Gegenstände versteckte. Sollte es ihr gelingen, das Messer die Nacht über bei sich zu behalten, würde sie es mit in die Höhlen nehmen, wenn sie sich bei Tagesanbruch schlafen legte. Dort würde sie es zu dem anderen Plunder legen, den die Trolle in Dutzenden Lebensspannen angehäuft hatten, an die sich längst niemand mehr erinnerte. Sie deutete auf die Felle an seinen Füßen. »Warum ausgerechnet heute Abend?«
Er verzog die Nase und zeigte damit seine Unsicherheit. »Weil«, sagte er. Und dann: »Mir war kalt. Sie halten mich warm.«
»Aber heute Nacht sollst du Ambrosius bei der Wahl zum Oberhaupt der Horde herausfordern! Du hast dir so viel Mühe gegeben, dass die anderen dich als einen der ihren akzeptieren. Das wird sie nur daran erinnern, dass du anders bist als sie.«
Er fuhr mit den Händen über ihre Haut, als suche er nach Parasiten, die es in der kalten Jahreszeit nicht gab. Sie tat das gleiche bei ihm. Lange Zeit saßen sie schweigend da und berührten sich.
»Ich bin anders«, sagte er entschieden. »Wenn sie mich akzeptieren, dann weil ich so bin, wie ich bin.«
Sie wusste nicht, was sie darauf sagen sollte, und stand auf. »Wir sollten gehen. Die Abstimmung findet um Mitternacht statt.«
»Ich bin bereit.«
»Hast du keinen Durst? Willst du nicht erst zum Höhlensee gehen und etwas trinken?«
»Nein, ich brauche nichts.«
Sie traten ins Freie. Die Sichel des abnehmenden Mondes durchbohrte den Horizont. Nichts erinnerte mehr an den Buckelrücken, außer den Stöcken, mit denen Made ihn getragen hatte, ein paar Fetzen Fell und Knochenstücke. An einem Stein lehnte ein neuer Stab, mit einem spitzen Metallblatt am Ende, wie diejenigen, die irgendwo tief in den Höhlen versteckt waren. Made nahm ihn mit. Ein Trampelpfad wies durch den tiefen Schnee den Weg ins Tal. Er führte mehrere Meilen lang durch Wälder voller Kiefernzapfen und Eicheln, die nur darauf warteten, ausgegraben zu werden.
»Komm, wir nehmen die Abkürzung über den Bergrücken, damit wir die anderen einholen«, sagte Windy. Sie wollte später essen, wenn sich ihr Magen beruhigt hatte.
»Das riecht gut«, antwortete Made.
Flauschige Schneeflocken wirbelten in der Luft. In der Richtung, die sie einschlugen, gab es keinen Pfad, dem man folgen konnte. Windys breite Füße trugen sie über die tiefen Schneeverwehungen, während ihre breiten Hände ihr Gewicht stützten. So kam sie auf allen Vieren rasch voran. Sie erwartete immer noch, dass Made, dünn und klein, wie er war, über die Schneeoberfläche gleiten müsste, aber seine schmalen Füße brachen ständig durch die Schneedecke. Als sie den kahlen Bergkamm überquerten, hörte Windy Wölfe heulen.
Made sah sich um. »Ich hätte meine Schneefüße mitbringen sollen«, sagte er.
Windy wartete, bis er sie eingeholt hatte. »Ist das wieder etwas, das du gestohlen hast, wie die anderen Sachen auch?«
Er lächelte sie an. »Ich habe die ersten schon vor langer Zeit geklaut. Seit Jahren schon verstecke ich diese Sachen vor dir und den anderen. Meistens hänge ich sie auf Bäume wie Aas.«
Sie wusste nicht, was sie dazu sagen sollte. »Gut. Klug von dir.«
Wieder heulten die Wölfe, diesmal bereits um einiges näher. Windy schnupperte, aber gegen den Wind konnte sie nichts riechen. Hoffentlich waren es Timberwölfe, Direwölfe konnten tödlich sein. Sie hatte nie richtig gelernt, das Heulen der verschiedenen Wölfe zu unterschieden. »Sie
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