Der verlorene Troll
Tagesmärsche groß. Aber sie hielten sich gern in einem Winkel ihres Reviers auf, so lange sie dort leichte Beute fanden. Außerdem blieben sie stets in der Nähe von Wasserläufen. Er starrte auf die Schwemmebene hinaus und beobachtete, wie der Fluss von seinem Ursprung hoch oben in den Bergen über die Hänge ins Tal strömte. Das Wild zog im Frühjahr zu den höhergelegenen Weiden hinauf. Sicher würde der Großzahn ihnen folgen.
Die Dämmerung warf einen trüben Schleier über die Landschaft. Made hob den Kopf und sah den Abendstern, von den Trollen auch der Einäugige Mund genannt, weil er sie abends aus den Höhlen lockte und zum Essen rief.
Noch einmal hob er den Speer, als wolle er ihn werfen.
Im schwindenden Licht folgte er dem Fluss bergauf, marschierte von einer Schlucht zur nächsten und sprang über Bachläufe, bis er Hunger und Durst verspürte und an der Mündung eines größeren Nebenflusses anhielt, um zu trinken. Die Böschung war zu steil, um den Kopf zum Wasser zu neigen, und er musste sich das kühle Nass mit der gewölbten Hand in den Mund spritzen.
Auf der anderen Seite des Flüsschens huschten einige große Schatten lautlos in den Wald. Rotwild. Made packte seinen Speer und folgte ihnen ins Gebirge hinauf.
Der Flusslauf plätscherte über ein breites Steinbett und fiel zwischendurch immer wieder unvermittelt in die Tiefe. Die Berge zu beiden Seiten waren steil und dicht mit Bäumen bewachsen, hier und da schossen plötzlich Wasserfontänen aus engen Hohlwegen hervor. Made stieg die rauen zerklüfteten Hänge hinauf, bis sich der Wald schließlich zu einer sumpfigen Hochebene öffnete.
Schattenhafte Gestalten zogen über eine graue, weich bewachsene Landschaft mit glatten, dunklen Wasserlachen - eine grasende Herde Rotwild mit mehreren Dutzend Tieren. Made schlich an ihnen vorbei.
In den Bergen brüllte ein Großzahn. Die Rehe hoben die Köpfe und flüchteten.
Made lief los, in die Richtung, aus der das Gebrüll gekommen war. Wasser spritzte um ihn herum auf. Im Laufen übte er die Wurfbewegungen mit dem Speer.
Der Mond war in dieser Nacht ein wenig voller. Er stand immer noch hoch am Himmel und warf einen bleichen Lichtschein zwischen die Bäume. Als Made höhere, trockenere Gefilde erreichte, rannte er durch den Wald, lauschte nach Geräuschen und hielt Ausschau, wo sich etwas bewegte. Über flacheres Gelände hinweg hörte er das Knurren und Schnappen von Wölfen und ging ein paar zögernde Schritte in ihre Richtung.
Auf einmal ertönte von dort das Fauchen des Großzahns.
Made schnupperte, schaute durch die Bäume zu den Wolken und schlug einen Bogen durch den Wald, um sich mit dem Wind an die Quelle der Geräusche heranzuschleichen. Zuerst entdeckte er die Timberwölfe, fünf an der Zahl. Sie belauerten einen Großzahn, der in einer kleinen Lichtung im Mondlicht über einer großen Hirschkuh hockte, eine Pfote über den Kadaver gelegt wie eine Mutter, die ihr Kind beschützt. Den Kopf der Hirschkuh hatte er bereits zernagt.
Die zwei dolchförmigen Zähne, die aus seinem Oberkiefer ragten, waren länger und breiter als Mades Messer. Hinter dem schweren, stämmigen Katzenkörper zuckte ein kurzer Stummelschwanz.
Ein Wolf schnappte nach der Flanke des Großzahns. Sogleich sprang die Katze auf und schlug mit ihrer riesigen Pfote nach ihm. Doch sobald der Großzahn abgelenkt war, sprangen zwei weitere Wölfe herbei und zerrten an dem Kadaver. Einer von ihnen verbiss sich im Vorderfuß der Hirschkuh und zog sie mehrere Fuß weit davon, ehe der Großzahn sich knurrend umwandte und ihn verjagte.
Das Fleisch konnten die Wölfe gerne haben - Made wollte nur den Großzahn. Er suchte sich einen leicht zu erklimmenden Baum und führte sich noch einmal vor Augen, wie der Junge das Reh getötet hatte. Dann hob er den Speer, zielte auf das Herz des Großzahns und warf.
Der Speer verfehlte sein Opfer um mehrere Fuß und krachte irgendwo weit neben dem Löwen in ein Gebüsch.
Bestürzt griff Made sich an den Kopf - diese dummen Menschen! Was dachten sie sich nur dabei, ihre Speere so zu benutzen?
Während die Katze herumwirbelte, um sich dieser neuen Bedrohung zu stellen, ein wenig eingeschüchtert von dem Lärm, den der Speer bei seinem Sturz in die Büsche verursacht hatte, nutzten die Wölfe die Gelegenheit und holten sich das Fleisch. Zwei schnappten nach dem Großzahn, um ihn in Schach zu halten, während zwei weitere einen Teil des Wilds davonschleiften. Anschließend zogen sich die
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