Der verlorene Troll
der Löwenjäger.
»Der Weg des Friedens, dem mein Vater und mein Bruder folgten, führt uns nur in die Falle der Eindringlinge«, sagte Sinnglas. »Der Weg über die Berge ist uns versperrt; unseren Feinde dort geht es prächtig, und sie sind zahlreicher als wir. Hierher folgen sie uns nicht, wegen der Riesen, die in den hohen Tälern leben, und weil sie den Löwen nicht verärgern wollen. Also müssen wir hier bleiben und kämpfen.«
Made dachte, dass ihm das Kämpfen gefallen würde. Von dem, was Sinnglas ihm erzählte, war es eine Art Ringkampf, wie seine früheren Kämpfe gegen Flaz und die anderen Trolle. »Ich werde mit dir kämpfen.«
Sinnglas drückte Mades Arm. »Dieser Tanz wird uns zeigen, ob alle meine Leute so empfinden wie du, oder ob sie sich lieber wie die Rehe im Wald verstecken, ein paar hier, ein paar dort, immer in Angst vor dem Brüllen des Löwen.«
Draußen waren Trommeln zu hören, ein Rhythmus, der jäh unterbrochen wurde. Stimmen wogten auf und erstarben wieder. Der Zauberer hatte seine Rede beendet.
Die Männer im Innern der Hütte stampften ungeduldig mit den Füßen und spannten ihre Armmuskeln. Sie waren von der Hüfte an nackt und hielten ein Kriegsbeil, einen Bogen oder eine andere Waffe in den Händen. Einige trugen nur die notwendigste Kleidung und ein wenig Farbe im Gesicht. Andere hatten geschmückte Bänder um Arme und Oberschenkel gewickelt oder Bündel mit kleinen Rasseln an ihren Waden befestigt.
Alle waren bereit, außer Sinnglas, den das Flechten von Mades Haar aufgehalten hatte. Er band sich noch einige Kupferglocken, die vor Alter schon grün angelaufen waren, unter die Knie, ehe er mit einem Scheppern aufstand und an den Anfang der Schlange trat, die vor dem Eingang wartete. Er rannte hinaus, die anderen folgten ihm mit lautem Geschrei.
Schweigend verließ Made als letzter die Hütte. Das dunkle Blau des Abends zog wie ein Wundmal am östlichen Himmel herauf.
Unter schrillem Geschrei führte Sinnglas die Läufer im Kreis der Menschen umher. Über hundert Leute, sämtliche Dorfbewohner, hatten sich versammelt und auch die älteren Männer des Rats kamen nun aus der Hütte und stellten sich in den Kreis. Squandral gesellte sich zu ihnen und starrte an seiner Schnabelnase vorbei wie ein Adler, der auf einem Berg thront. Die Trollvögel blieben dicht hinter ihm, und Menato mit dem schmalen Gesicht musterte die Menge. Seine Augen verharrten kurz bei Made, ehe sie weiterwanderten. Damaqua kam als Letzter aus der Hütte und trat feierlich in den Kreis, die Lider halb geschlossen wie ein alter Troll, der im Stehen schläft. Tanaghri, sein Berater, stahl sich davon.
Sinnglas führte die Tänzer ein letztes Mal außen um den Kreis herum und blieb dann stehen, als er Damaqua sah. Das Klingeln und Rasseln verstummte. Die beiden Brüder standen sich gegenüber und schauten einander an. Die Menge murmelte etwas und bewegte sich unruhig hin und her. Sinnglas öffnete den Mund, um etwas zu sagen.
Da trat Damaqua beiseite.
Während die Krieger in den offenen Kreis strömten, gab Sinnglas einen furchteinflößenden Schrei von sich, der von den anderen erwidert wurde. Die Menge schrie auf, und auch Made ließ seine Stimme hören. Die Trommler nahmen neben Gelapa Platz. Vier Männer saßen vor zwei Trommeln, ähnlich wie die, die Made den Löwenjägern gestohlen hatte, nur kürzer und breiter. Sie begannen zu trommeln und zu singen, während die Füße der Tänzer donnernd auf den Boden stampften.
»Hm«, grunzte jemand hinter Made.
Er schrak zusammen und drehte sich um. Vor ihm stand Damaquas Berater Tanaghri.
»Sag Sinnglas, er möge seinen Tanz heute Abend genießen«, sagte Tanaghri. »Mögen die jungen Männer sich stark fühlen. Aber der Rat wird einen Boten hinunter zu den Löwenmännern schicken und sie vor seinem Kommen warnen. Sinnglas sollte seine Männer lieber woanders hinführen, über die Bergpässe, und dort die Höfe unserer alten Feinde angreifen.«
»Ich ihm sagen jetzt gehen?«, fragte Made, der vor lauter Aufregung nicht die richtige Reihenfolge für seine Worte fand.
Tanaghri schnaubte. »Nur ein Narr braucht genaue Anweisungen. Nein, sag es ihm später, wenn der Tanz vorbei ist.«
Er drehte sich um und ging durch die Menge davon.
Das schnelle Lied erstarb. Made wirbelte herum und sah, dass die Trommler und Tänzer offenbar auf etwas warteten. Gerade als er jemanden danach fragen wollte, gingen Musik und Tanz in einem schnelleren Tempo weiter und
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