Der verlorene Troll
wirst uns begleiten und deine Gelegenheit zum Kampf bekommen«, versprach Sinnglas dann.
Keekyu trat auf den Weg, der zurück ins Dorf führte. »Wir müssen die Nachricht ins Dorf bringen und die anderen Männer auf den Tanz und den kommenden Feldzug vorbereiten.«
»Es ist Krieg!«, sagte Pisqueto. Sinnglas nickte.
Made teilte ihr Glück. »Es ist Krieg!«, rief er fröhlich.
Kapitel 15
Frauen jeden Alters, von buckligen Alten bis zu kichernden Mädchen, hatten sich vor dem Tor versammelt. Als Made an ihnen vorbeiging, wichen sie vor ihm zurück, aber seine Gedanken waren zu sehr mit der anderen Frau beschäftigt, um sich daran zu stören. Er würde mit Sinnglas in den Krieg ziehen, und auch wenn er nicht wusste, was Krieg eigentlich bedeutete, so hatte er immerhin begriffen, dass es galt, einen Löwen zu töten. Die Frau hatte das Löwenfell mit Interesse betrachtet, folglich könnte er auch Sinnglas’ Löwen töten, sofern dieser größer wäre, und ihr dessen Fell bringen, zur Bekräftigung seiner Absichten.
Sinnglas führte die drei anderen durchs Dorf. Es bestand aus neununddreißig Hütten - Made hatte sie zweimal gezählt -, von denen einige nur ein oder zwei Feuerstellen besaßen, während in anderen weit mehr Feuer brannten. Sie kamen zu der Hütte von Sinnglas’ Frau und traten ein. Die Leute darin blickten auf, als die vier Männer an den Feuerstellen vorbei zu dem Raum marschierten, in dem Sinnglas lebte.
Seine Frau schaute sie mit ihrem runden Gesicht fragend an, aber Sinnglas sagte nichts zu ihr. Als Made, Keekyu und Pisqueto am Feuer saßen, stellte sie Schüsseln mit Maisbrei vor die Männer. Keekyu nahm seine Schüssel, aß eine Mundvoll und grunzte dann: »Ich wage kaum, das zu essen.«
Sinnglas’ Frau unterbrach ihre Tätigkeit, ohne ihn anzusehen. Pisqueto, der sich über seine Schüssel beugte, fragte mit vollem Mund: »Und warum?«
Keekyu seufzte und verzog betrübt sein altes Gesicht:
»Wenn es nächsten Winter keinen Mais mehr zu essen gibt, werde ich immer an diese Mahlzeit zurückdenken müssen und a n gebrochenem Herzen sterben.«
Pisqueto grinste. Sinnglas’ Frau lächelte kaum sichtbar und fuhr mit ihrer Arbeit fort. Made schaufelte sich das Essen in den Mund, aber der Rauchgeschmack des Breis dämpfte seinen Appetit.
Sinnglas aß nichts. Stattdessen holte er sein Beil und hockte sich ein wenig abseits damit nieder. Er bemalte die Waffe mit roter Farbe, band rote Federn daran und wickelte Schnüre mit schwarzen Perlen um den Stiel. Seine Frau wollte zu ihm gehen, zögerte jedoch. Sie zog erst an einem Zopf, dann am anderen, und zupfte an den Federblumen, die die Nähte ihres Kleides zierten.
»Heute Abend also?«, fragte sie schließlich.
»Ja«, sagte Sinnglas, ohne aufzuschauen.
Sie ließ die Schultern hängen und wandte sich ab.
Made war sich nicht sicher, was soeben zwischen den beiden vorgefallen war. Menschen zeigte ihre Gefühle nicht offen wie Trolle. Als er in Sinnglas’ Hütte gewohnt hatte, war er mehrmals Zeuge geworden, wie sie sich paarten, aber er hatte nie gesehen, dass sie sich gegenseitig putzten - das taten die Frauen nur mit anderen Frauen und die Männer mit Männern. Keiner hatte ihm Sinnglas’ Frau vorgestellt oder ihren Namen genannt, und sobald er versuchte, mit ihr zu sprechen, hatte sie sich stets abgewandt. Vielleicht war es das, was er bei der Frau im Zelt falsch gemacht hatte: Er hätte ihr einfach das Löwenfell geben sollen, ohne zu erwähnen, wie köstlich sie stank.
Sinnglas’ Frau stellte eine zweite Schüssel Brei vor Keekyu. Pisqueto winkte ebenfalls nach mehr, aber sie nahm ihm und Made die leeren Schüsseln einfach weg und säuberte sie. Keekyu schmatzte geräuschvoll, um die beiden zu hänseln.
Als Sinnglas seine Vorbereitungen beendet hatte, verließ er die Hütte. Made und seine Brüder folgten ihm zur Lichtung vor der Ratshütte.
Vor der Hütte ragte ein Baumstamm ohne Rinde und Zweige aus dem Boden. Er war um die Hälfte größer als ein Mann und gerade gewachsen wie ein Lichtstrahl. Schlangenhäute, einige davon so lang, wie Made es noch nie gesehen hatte, waren in großen, brüchigen Schlaufen um den Stamm geschlungen, ein paar von ihnen bereits verwittert von Zeit und Wetter. Der Zauberer Gelapa hütete die Schlangenhäute und sammelte sie in den tiefer gelegenen Tälern. Wenn der Wind blies, kauerte er neben dem Pfahl und lauschte dem Rascheln und Flüstern der Häute. Anschließend verkündete er, was sie ihm
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