Der verlorene Troll
jenen, den ihr Mahdeh nennt und der, wie ich hörte, aus den Bergen kam, so wie einst der Erste Mensch.«
Made richtete sich kerzengerade auf. Er wusste nicht, warum Squandral die Geschichte des Ersten Menschen erwähnte. Schließlich hatte er diesem Trollvogel Menato doch gesagt, dass das nicht stimmte.
»Zwar besitze ich keinen Dolchzahn oder Mammuthauer, den ich ihm geben könnte«, fuhr Squandral fort, »aber wenn er vorhat, bei uns zu bleiben, sollte er lernen, seinen Kopf zu bedecken. Deshalb möchte ich ihm diesen Turban überreichen und ihn bitten, ihn zu tragen, wenn er zu den Eindringlingen ins Tal geht.«
Er wickelte die rote Stoffbahn von seinem Kopf, und ein einzelner Zopf fiel heraus. Ein Kriegerzopf.
Sinnglas johlte los, ehe die Trommler einen Schlag tun oder Made die dargebotene Gabe entgegennehmen konnte. Gelapa, der Zauberer, zog sich als Erster in die Ratshütte zurück, gefolgt von Damaqua und den meisten anderen Ratsmitgliedern. Nun, da die Anführer nicht länger anwesend waren, weigerten sich die Trommler weiterzuspielen. Pisqueto und einige der anderen tanzten einfach ohne Trommelbegleitung weiter und sangen die Kriegslieder selbst, die anderen standen verwirrt im Kreis.
Sinnglas kam herbei und umarmte Squandral. »Dann seid ihr auf unserer Seite? Ihr werdet uns in diesem Krieg beistehen?«
»Auch wenn es mir das Herz bricht«, sagte Squandral so laut, dass die anderen ihn hören konnten. »Ich dachte, ich hätte in meinem Leben genug Kriege gesehen, aber die Eindringlinge behandeln uns schlecht. Einige ihrer Männer, die vom Feuerwasser brannten, überfielen eine Gruppe aus unserem Dorf. Sie töteten meine Nichte und ihren Mann und ihr kleines Kind. Wir forderten Gerechtigkeit, aber Baron Culufre sagt, er könne nichts tun. Also werde ich mit euch kämpfen, bis meine Familie gerächt ist und die Eindringlinge begriffen haben, dass sie so nicht mit uns umspringen können.«
»Mit dir an unserer Seite werden wir den Feind in die Knie zwingen.«
Squandral stieß ein missmutiges Grunzen aus. »Unsere Chancen waren schon beim letzten Mal nicht gut, und das war vor dreißig Jahren, als ich noch ein junger Mann war. Wir verloren viele Männer, und als der Krieg vorbei war, waren wir schwächer als zuvor. Seitdem sind wir nicht stärker geworden, während die Eindringlinge sich ausbreiten wie Heuschrecken im Sommer. Doch wenn wir nichts tun, wird unser Volk eines Tages ganz verschwunden sein.«
»Das sage ich auch. Nun wird Damaqua seine Meinung gewiss ändern und sich uns anschließen.«
»Ich werde das Kriegsbeil in unser Dorf bringen«, verkündete Squandral laut. »Und ich werde Menato damit nach Süden zu Custalo schicken. Gemeinsam werden wir wenigstens fünfzig Krieger versammeln können. Bei unserem letzten Krieg gegen die Eindringlinge waren wir bedeutend mehr, und ihre Zahl war damals noch viel kleiner.«
Sinnglas schlug mit der Hand in die Luft. »Der Vielfraß, der an einem Rehkadaver nagt, hat weit weniger Zähne als das Wolfsrudel um ihn herum, trotzdem kann er sich behaupten. Nicht auf die Menge kommt es an, sondern auf die Wucht unseres Angriffs.«
»Dennoch sollten sich unsere Frauen und Kinder bereit machen, in die Berge zu fliehen.«
»Das wäre klug«, gab Sinnglas zu. »Wir müssen rasch zuschlagen, sie überraschen.«
»Das wäre ebenfalls klug.« Squandral näselte etwas, das Made nicht verstand.
»Ich sah, wie die Schlangenhaut zu Boden fiel«, entgegnete Sinnglas. »Hat der Zauberer gesagt, wessen Tod sie ankündigte?«
Squandral zuckte mit den Schultern. »Alle Männer sterben irgendwann. Wir wollen nur hoffen, dass es ein guter Tod ist, wen es auch treffen mag.«
Die beiden Männer verabschiedeten sich voneinander, und Sinnglas kehrte mit Made zur Hütte seiner Frau zurück. Diese setzte ihnen zwei Schüsseln mit Essen vor. Made aß, während Sinnglas sein Kostüm ablegte. Als Sinnglas’ Frau Made anschließend einen Beutel aus Bärenfell überreichte, beobachteten ihn ihre Kinder, ein kleiner Junge und ein kleines Mädchen, voller Ehrfurcht hinter dem Rock ihrer Mutter hervor. Made schaute in den Beutel, entdeckte darin noch mehr Essen und holte eine Handvoll davon heraus. Es schmeckte wie gedörrtes Getreide und war süß wie Ahornsirup. Gierig schob er sich mehrere Handvoll davon in den Mund. Sinnglas’ Frau beobachtete ihn entgeistert, Sinnglas selbst jedoch lachte laut.
»Nicht, mein Freund«, sagte er. »Das soll uns auf unserem Kriegszug stärken.
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