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Der verlorene Ursprung

Der verlorene Ursprung

Titel: Der verlorene Ursprung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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mumifizierten Hühnern, deren Haut sich beim Austrocknen oder durch Räuchern schwärzlich verfärbt hatte. Sie wurden gleich zu mehreren und wie Trophäen ausgestellt. An den größten und üppigsten Ständen fand man sie in großer Zahl. Dort prangten sie neben Zellophantüten, die bunten Bonbontüten ähnelten, aber etwas ganz anderes sein mußten. Oder neben Flaschen, die mir wegen ihrer mit gelbem oder rotem Aluminiumpapier umwickelten Korken wie Champagnerflaschen vorkamen, jedoch einen auf einer seltsamen Kräutermischung basierenden Schaumwein enthielten. Auf manchen Tischen lagen Unmengen kleiner Papierumschläge nebeneinander, die mich an diese Tütchen mit Blumensamen erinnerten. Doch sie enthielten keine Samen, sondern Heilkräuter, mit denen man einen Zauber bewirken oder einem Zauber begegnen konnte. Nun ja, man mußte all das gesehen haben, um es zu glauben. Und an jedem Stand freuten sich ein oder zwei Yatiri ihres Wissens und ihres Lebens und schienen fest überzeugt von der heilbringenden Kraft ihrer Ware.
    Proxi fotografierte in einem fort, hier ein Aymara-Kind, das wassergefüllte Luftballons verkaufte, dort eine Alte, die bunte Strickwaren feilbot. Die Muster ähnelten stark den Tocapus, mit denen ihre Vorfahren sich einst schriftlich verständigt hatten. Und Jabba, der in dieser Hinsicht kein Risiko scheute, schob sich so ziemlich alles in den Mund, was man ihm zu probieren gab, ohne sich um Hygiene oder mögliche Nebenwirkungen zu scheren. Allerdings machte ich mir keine weiterreichenden Gedanken um ihn, da er einen stählernen Magen besaß - im Gegensatz zu mir, dem allein vom Zuschauen, wie er kleine Knöchelchen unbekannter Herkunft ablutschte und Pasten von fragwürdiger Farbe löffelte, schlecht wurde. Zum Glück tauchten hinter der nächsten Ecke Buden auf, in denen keine Nahrungsmittel, sondern Gebrauchsartikel angeboten wurden, für die Region typische Wollmützen, die sogenannten Chullos, kurzbeinige Puppen, Ketten, billige Parfums, merkwürdig geformte weibliche Figürchen .
    »Hast du die gesehen?« Jabba zeigte auf eine Gruppe von zehn, fünfzehn kleinen Statuen, die schwangere Frauen mit großen Ohren und länglichem Oberkopf darstellten. »Oryana!«
    »Wollen Sie eine Urmutter Oryana?« fragte der Verkäufer sofort, als er unser Interesse bemerkte.
    »Urmutter Oryana?« wiederholte ich.
    »Die Schutzgöttin des Hauses.« Der Yatiri hob eines der Figürchen hoch. »Sie schützt das Heim, die Familie und besonders Schwangere und Mütter.«
    »Unglaublich«, sagte Jabba leise, »sie verehren Oryana nach Jahrtausenden immer noch!«
    »Ja, aber sie wissen nicht, wer sie wirklich ist«, erwiderte ich. Mit einer Handbewegung gab ich dem Verkäufer zu verstehen, daß ich mir gerne seine Puppen mit den Stummelbeinen anschauen würde. Eines dieser kleinen Monster war vielleicht genau das richtige Geschenk für Dani.
    »Möchte der Señor einen Ekeko, unseren Glücksgott?«
    Jabba und ich warfen uns einen vielsagenden Blick zu, während der Verkäufer mir ein weißhäutiges Männchen mit Schnurrbart reichte, dessen kurze Beine denen des Viracocha aus Tiahuanaco ähnelten. Das war nicht weiter verwunderlich. Schließlich war der Zeptergott kein anderer als Thunupa, der Gott des Regens und der Sintflut, der als Ekeko bis in die Gegenwart überlebt hatte. Die Puppe trug die typische, konisch geformte Andenwollmütze mit den Ohrenklappen und hielt eine scheußliche Gitarre in den Händen.
    »Den willst du doch wohl nicht kaufen, oder?« Jabba war entsetzt.
    »Ich brauche ein Geschenk für meinen Neffen«, erklärte ich todernst und gab dem Verkäufer die fünfundzwanzig Bolivianos, die er dafür verlangte.
    »Was du brauchst, ist ein Psychiater. Das arme Kind wird jahrelang unter Alpträumen leiden.«
    Alpträumen? Sicher, Ekeko sah nicht besonders ansprechend aus, aber ich war mir sicher, daß Dani seinen Wert zu schätzen wissen und ihn mit dem größten Vergnügen kaputtmachen würde.
    »Hier, hier!« Proxi winkte zu uns herüber und zeigte auf einen Stand, an dem haufenweise Viracocha-Stäbe angeboten wurden.
    Auf einem Holztisch lagen Dutzende von Stäben mit Kondorköpfen. Zur großen Freude des Yatiri erstanden wir fünf davon, das heißt alle, die zwischen achtzig Zentimeter und einem Meter lang waren. Auf diese Größe schätzten wir nämlich den Thunupa am Sonnentor und seine echten Stäbe.
    Wir aßen im selben Stadtviertel zu Mittag und schlenderten den Nachmittag über wie Touristen

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