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Der verlorene Ursprung

Der verlorene Ursprung

Titel: Der verlorene Ursprung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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blickten uns an und mußten lachen. Da saßen wir nun wie zwei Betrunkene, während Proxi vor Begeisterung strahlte.
    »Mit uns ist echt nichts los«, sagte Jabba zu mir. Nach und nach kehrte etwas Farbe in sein Gesicht zurück.
    »Da hast du vollkommen recht.«
    Aus den Tiefen der Erde drang ein furchteinflößender Grabgeruch zu uns herauf, ein Hauch erdiger Feuchtigkeit, bei dem sich einem der Magen umdrehte. Ich beugte mich neben Proxi über das Loch und erblickte eine Reihe gefährlich schmaler Steinstufen, die sich in dem finsteren Abgrund verloren. Ich holte meine Taschenlampe heraus und schaltete sie ein. Die Stufen reichten so tief hinunter, daß man das Ende nicht sehen konnte.
    »Müssen wir da wirklich runter?« stammelte Jabba.
    Eine Antwort erübrigte sich. Ohne lange zu überlegen, stand ich auf, schnallte mir den Riemen meiner Stirnlampe um den Kopf, schaltete das Licht ein und begann, in voller Montur vorsichtig die steile Freitreppe hinabzusteigen, die zum Mittelpunkt der Erde zu führen schien. Auf den Stufen war nicht einmal genug Platz, um mit dem ganzen Fuß aufzutreten. Ich verdrehte meine Füße also bei jedem Schritt und setzte sie seitlich auf, um nicht bei der erstbesten Gelegenheit das Gleichgewicht zu verlieren. Je weiter ich in die Tiefe vordrang, um so stärker weitete sich die vor mir liegende Wand, wölbte sich von mir weg und wurde zu einer Decke, so daß ich mich bald nirgendwo mehr abstützen konnte. Ich blieb einige Sekunden unentschlossen stehen.
    »Was ist los?« fragte Proxis Stimme aus beachtlicher Höhe.
    »Nichts.« Ich kletterte weiter hinab in die Tiefe und erstickte das verzweifelte Rufen meines Überlebensinstinktes im Keim. Ich spürte meinen Puls an den Schläfen, kalter Schweiß trat mir auf die Stirn. Und um meine Beine zum Weitergehen zu bewegen, zwang ich mich, an meinen Bruder zu denken, der weit weg in Barcelona mit durchgeschmorten Synapsen in einem Krankenhausbett lag.
    »Hier ist nichts mehr zum Festhalten«, warnte ich die anderen. »Das Loch ist so breit geworden, daß ich nirgends mehr mit den Händen drankomme.«
    »Leuchte mal in alle Richtungen.«
    Doch sosehr ich meinen Kopf auch hin- und herdrehte und meine Umgebung ausleuchtete, um mich herum war nichts als Leere. Erst dort, wo meine Arme schon nicht mehr hinreichten, wurde diese Leere durch Steinwände begrenzt, große Quader, wie man sie in ganz Tiahuanaco fand und die auch hier sauber ineinandergefügt waren. Zum Glück wurden die Stufen jetzt allmählich breiter und tiefer.
    »Alles klar, Root?« Jabbas kräftige Stimme wurde von den Mauern des Schachtes zurückgeworfen.
    »Alles klar«, rief ich laut, mehr um mir Mut zu machen, denn eigentlich war überhaupt nichts klar.
    Der Abstieg zog sich länger hin, als mir lieb war. Verglichen mit diesem Schacht waren sämtliche senkrechten Tunnels im Untergrund von Barcelona achtspurige Autobahnen. Meine Handflächen waren verschwitzt, und ich vermißte meine Kletterausrüstung. Denn eins wußte ich genau: Beim geringsten Ausrutscher auf dem schwarzen, schmierigen Moos, mit dem die Stufen überzogen waren, würde ich mir unten auf dem Steinboden sämtliche Knochen brechen. Und falls ich dann überhaupt noch lebte, hätten Jabba und Proxi große Mühe, mich aus diesem Loch herauszuholen. Deswegen bewegte ich mich so langsam und vorsichtig wie möglich weiter abwärts und suchte immer zuerst nach einem sicheren Halt für den einen Fuß, bevor ich den anderen versetzte, alle Sinne hellwach, um nicht ins Schwanken zu geraten.
    Das erste Anzeichen dafür, daß es dem Ende entgegenging, war eine kaum wahrnehmbare Luftveränderung. Plötzlich war es nicht mehr so drückend, die Luft wurde leichter und trockener. Ich schloß daraus, daß ich mich einem großen Raum näherte. Eine Minute später beleuchtete meine Stirnlampe die Mündung des Schachts und den Anfang eines Gangs, der so breit war, daß wir bequem zu dritt hindurchgehen konnten.
    »Ich sehe das Ende«, verkündete ich. »Da ist ein Gang.«
    »Endlich hört diese verdammte Treppe auf!« wetterte Jabba über mir.
    Ich hüpfte von der letzten Stufe und leuchtete in den vor mir liegenden Tunnel. Es würde uns nichts anderes übrigbleiben, als ihm zu folgen. Kurz darauf tauchte Proxi hinter mir auf, und das Geräusch von Jabbas Schritten kündigte an, daß auch er sich jeden Moment zu uns gesellen würde.

»Weiter?« Eigentlich war das eher eine Aufforderung als eine Frage.
    »Weiter«, erwiderte Proxi

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