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Der verlorene Ursprung

Der verlorene Ursprung

Titel: Der verlorene Ursprung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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Aymara >der Übersetzer des leichten Wortesc, und als Ladino bezeichnet er sich, weil während der Kolonialzeit im 16. Jahrhundert die Ureinwohner, die Latein oder Spanisch sprachen, so genannt wurden. Mit anderen Worten, die Yatiri bieten uns einen Dolmetscher an, um sich mit uns zu verständigen. Sie haben das alte Spanisch beibehalten, das sie vor ihrer Flucht in den Urwald gelernt haben!«
    »Aber dann«, sagte Efrain verwundert, »halten sie es wohl kaum für möglich, daß wir ihre Sprache sprechen.«
    »Warte, ich werde sie überraschen«, sagte Marta mit einem gewitzten Lächeln, wandte sich zu den Capacas um und rief aus: »Nayax Amara parlt’awa.«
    Die Alten blieben ungerührt und verzogen keine Miene. Nur der junge Aruku-was-auch-immer starrte die Capacas erstaunt an. Obwohl sie kein Wort miteinander wechselten, wandte Aruku-was-auch-immer sich wieder uns zu und sprach erneut im Namen der Alten: »Die ehrwürdigen Capacas sagen, Euer Gnaden seien weise, sehr kluge und gebildete Menschen. Allein, in dem Wunsche, sich geraden Weges und ohne Umschweife zu verständigen, halten sie es für geboten, sich der kastilischen Sprache zu befleißigen, auf daß all das Leid und der Schaden von einst nicht erneut geschehen.«
    »Sie wollen also nicht, daß wir Aymara sprechen«, sagte Efrain enttäuscht. »Warum nur?«
    »Du hast es doch gehört«, tröstete ihn Gertrude, die schweigsamer als sonst war. Ihre glänzenden Augen zeugten allerdings davon, wie aufgewühlt sie innerlich war. »Sie wollen keine Probleme. Vor allem keine Probleme wegen der Sprache. Sie möchten sich lieber auf Spanisch mit uns verständigen.«
    »Na klar, da ihre Sprache sich nicht verändert, denken sie, alle anderen tun das auch nicht!« ereiferte sich Jabba.
    »So verstehst du ihn wenigstens«, brummte Lola. »Wäre es dir lieber, daß Marta und Efraín auf Aymara mit ihnen reden und wir aus dem Spiel sind? Komm schon!«
    »Die Capacas wissen Euer Gnaden Gelehrtheit zu würdigen. Allein, sie wünschen zu erfahren, wie Euer Gnaden Kenntnis von unserem Reich Qalamana erlangten.«
    »Qalamana!« rief Marta aus. »Diese Stadt im Dschungel heißt Qalamana?«
    »Qalamana, Señora.«
    »>Die Stadt, die sich niemals ergibt««, übersetzte Efraín. »Ein sehr passender Name.«
    »Die ehrwürdigen Capacas wünschen zu erfahren«, beharrte Aruku-was-auch-immer, »wie Euer Gnaden Kenntnis von unserem Reich erlangten.«
    »Arukutipa«, sagte Marta, »ich wüßte gerne, ob die Capacas uns verstehen, wenn wir spanisch sprechen. Ich frage das, weil es eine sehr lange Geschichte wird, und wenn du sie übersetzen mußt, wird es eine äußerst langwierige Angelegenheit.«
    Arukutipa verlagerte das Gewicht unschlüssig von einem Fuß auf den anderen und wandte sich wiederholt zu den Alten um. »Die Capacas, Señora, verstehen Euer Gnaden nicht«, brachte er schließlich hervor. »Sie sind keine Ladino-Indianer.«
    »Gut, dann will ich versuchen, mich kurz zu fassen ...« Und Marta begann die Geschichte zu erzählen, wie wir Kenntnis von diesem Reich erlangt hatten, angefangen bei ihrem Großonkel, Alfonso Torrent, der in den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts begonnen hatte, gemeinsam mit Don Arturo Posnansky in Tiahuanaco zu arbeiten. Mir wurde erneut bewußt, daß, wollte man Marta richtig kennenlernen, man ihrer außergewöhnlichen Stimme lauschen, quasi ihre Musik verstehen mußte. Denn dort, in den Tönen, die sie hervorbrachte, und in der charakteristischen Intonation, in ihrer Wortwahl und ihren Formulierungen, verbarg sich der Kern, in den sie sich sonst zurückzog und die Stacheln aufrichtete wie ein Seeigel. Genau wie ich vor langer Zeit an jenem Tag in ihrem Arbeitszimmer gedacht hatte, war ihre Stimme ihre Achillesferse. Es war ihre Schwachstelle, an der unbeabsichtigt der wahre Kern durchschimmerte.
    Arukutipa war ein phantastischer Simultandolmetscher, denn die Alten nickten zustimmend, während er wiederholte, was Marta erzählte. Oder sie runzelten im passenden Moment die Stirn, machten ein besorgtes oder zufriedenes Gesicht, wenn es angebracht war. Ich sah ihn nicht ein einziges Mal unsicher werden. Er bat nie, auch nur einen Satz zu wiederholen. Und das, obwohl unser Spanisch und sein Kastilisch ganz schön voneinander abwichen und darin schwer erklärbare moderne Ausdrücke vorkamen. Schließlich fehlte ihm das gesamte Wissen über das, was sich zwischen dem 17. und 21. Jahrhundert ereignet hatte.
    Dann kam Marta auf Daniel zu sprechen.

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