Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der verlorene Ursprung

Der verlorene Ursprung

Titel: Der verlorene Ursprung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
Vom Netzwerk:
Doch genau so fiel die Antwort aus. Ein zweiter Versuch überzeugte mich davon, daß mir so niemand öffnen würde. Ich hatte zwei Möglichkeiten: Entweder drückte ich ungeniert die Klinke herunter oder hämmerte gegen die Tür. Ich entschied mich für letzteres und pochte ohne weitere Umstände laut und vernehmlich an. Sofort machte sich hinter der Tür das tiefste Schweigen breit, und schnelle Schritte nahten, um mir aufzutun. Als die geöffnete Tür den Blick auf den Raum freigab, sah ich vier oder fünf Personen still dasitzen, die mich erwartungsvoll anschauten.
    »Ja, bitte?« war die einzige Begrüßung. Sie kam von dem magersüchtig wirkenden Mädchen mit den kurzen schwarzen Haaren, das mir die Tür geöffnet hatte. Auch die anderen anwesenden Frauen musterten mich von oben bis unten, worauf sich, wenn schon nicht auf ihren Lippen, so zumindest in ihren Augen ein Lächeln abzeichnete. Obwohl ich diese Reaktion fremder Frauen auf mich bereits gewöhnt war, freute sie mich doch jedesmal aufs neue. Bescheidenheit heißt ja nicht, die eigenen Vorzüge zu leugnen - das wäre scheinheilig -, sondern sie anzuerkennen und anzunehmen.
    »Ich bin auf der Suche nach Marta Torrent.«
    »Doctora Torrent?« wiederholte das Mädchen, allerdings unter Hinweis auf den korrekten akademischen Titel, falls er mir entfallen sein sollte. »Wen soll ich ankündigen?«
    »Ich bin der Bruder von Daniel Cornwall und habe einen Termin bei ihr um .«
    »Daniels Bruder!« riefen mehrere Stimmen gleichzeitig, wobei sie den Namen wie im Spanischen üblich auf der letzten Silbe betonten. Eine bessere Visitenkarte hätte ich offensichtlich nicht vorweisen können, denn nun erhoben sich alle von ihren Stühlen und kamen näher.
    »Du siehst deinem Bruder total ähnlich . Nur in Dunkel!« entfuhr es einer jungen Frau mit energischem Kinn und langem Pony. Sie streckte mir die Hand entgegen. »Ich bin Antonia Mari, Daniels Arbeitskollegin.«
    »Wir alle sind seine Kollegen«, erklärte ein grauhaariges Männchen mit Geheimratsecken und Nickelbrille. »Pere Sirera.
    Freue mich, dich kennenzulernen. Wir haben telefoniert, wegen des Termins bei Marta.« Er drückte mir ebenfalls die Hand und ließ dann die nächste vor.
    »Du bist also der stinkreiche Informatiker!« Eine etwa vierzigjährige Frau kam auf mich zu, ihr Hals ragte aus einem bizarren geblümten Kleid im Stil Josephine Bonapartes. »Ich bin Merce Boix. Wie geht es Daniel?«
    »Unverändert, danke«, antwortete ich und schüttelte ihr die Hand.
    »Aber was genau ist eigentlich passiert?« Diese Merce ließ nicht locker.
    »Wir wissen, daß Mariona seinen Krankenschein eingereicht hat, aber Doctora Torrent hat uns nichts verraten«, sagte das Mädchen, das mir die Tür geöffnet hatte, die sie nun endlich schloß, um sich zu uns zu gesellen.
    »Sie hat nur gesagt, daß er in der Custodia-Klinik liegt und daß es kein Unfall war«, sagte Pere Sirera nachdenklich. Er schien zu ahnen, daß dieses Verhör keine gute Idee war, womit er recht hatte.
    »Können wir ihn besuchen?« wollte Merce wissen.
    »Hmm .« Wer von diesen Leuten gehörte zu Daniels Freunden und wer zu seinen Feinden, Rivalen oder Gegenspielern? Wer machte sich wirklich Sorgen, und wer war nur ungeduldig darauf aus, zu erfahren, ob die Zeit bis zu seiner Rückkehr ausreichen würde, um Daniels Posten zu übernehmen? »Zur Zeit empfängt er keinen Besuch ...« Ich räusperte mich. »Er ist in Ohnmacht gefallen, hat das Bewußtsein verloren, und jetzt untersuchen sie ihn. Die Ärzte sagen, daß er noch diese Woche entlassen wird.«
    »Das freut mich!« sagte Josephine Bonaparte lächelnd. »Wir haben uns ganz schöne Sorgen gemacht!«
    Zum Zeichen meiner Ungeduld klopfte ich mit der steifen Lederaktentasche leicht an mein Hosenbein. Ich wollte Marta Torrent sehen und hatte keine Zeit, den ganzen Vormittag in diesem Gemeinschaftsraum voller Tische, Stühle und Schränke zu verplaudern.
    »Ich habe bei Doctora Torrent einen Termin«, murmelte ich. »Sie wartet bestimmt schon.«
    »Ich begleite dich«, sagte Antonia mit dem langen Pony und wandte sich in Richtung eines engen Gangs, der hinter hohen Aktenschränken verborgen lag.
    »Grüß Daniel von uns!«
    »Klar, danke«, murmelte ich und folgte ihr.
    Ein Plakat mit einem buckligen Neandertaler und dem Motto: >Vom Affen zum Menschen. IV. Tagung für Evolutionsanthropologie in Sevilla< hing neben der Tür von Marta Torrents Büro.
    Antonia klopfte leise an, öffnete die Tür

Weitere Kostenlose Bücher