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Der verlorene Ursprung

Der verlorene Ursprung

Titel: Der verlorene Ursprung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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mich an meinen normalen Arbeitsplatz am Schreibtisch. In dieser Situation waren die vielen Rechner auf einmal zu nichts anderem nütze, als synchron und in Wellenlinien das Logo von Ker-Central schonend über die Bildschirme gleiten zu lassen. Aber welches andere Hilfsmittel hätte einer Gruppe von Informatikern auch einfallen sollen, die sich an einem außergewöhnlichen und fremden Thema die Zähne ausbeißen wollten? Manchmal hatte ich den Eindruck, daß nicht Blut, sondern ein Strom von Bits durch meine Adern floß und daß ich mich aus Codezeilen zusammensetzte. Ich behauptete gern im Spaß, daß mein Körper die Hardware sei, mein Gehirn die Software und meine Sinnesorgane die Benutzeroberfläche, auf der die Daten ein- und ausgegeben wurden. 
    Hatte es je eine Welt ohne Computer gegeben? Was waren das für Menschen gewesen, die noch nicht über das Netz kommunizieren konnten? Wie nur hatten sie im Mittelalter ohne Handy überlebt? Und kannten die Inka wirklich noch keine Glasfaserkabel und DVD? Die Vergangenheit war schon komisch. Vor allem, weil diese Menschen sich von uns eigentlich nicht unterschieden. Und trotzdem, trotz all unseres technischen Fortschritts war die Welt, in die wir hineingeboren wurden, noch immer absurd und unsere Zeit voller Wahnsinn -Terroranschläge, Kriege, politische Lügen, Umweltverschmutzung, Ausbeutung, religiöser Fanatismus .    -, so daß die Menschen längst den Glauben an Außergewöhnliches verloren hatten. Und nun war es an uns, das Gegenteil zu beweisen. Uns blieb nichts anderes übrig, als uns auszuliefern, uns dem Mysterium hinzugeben.
    Den restlichen Vormittag über blätterte ich in Guamans Chronik, betrachtete die Bilder und suchte über das Inhaltsverzeichnis nach der geringsten Anspielung auf die Colla, die Aymara oder Tiahuanaco - das dort als Tiauanaco auftauchte, eine Schreibweise, die ich meiner Liste hinzufügte: Tiahuanaku, Tiahuancu, Tihuanaku, Tiaguanacu und Tiahuanaco. Anstelle weiterer Hervorhebungen meines Bruders oder wichtiger Zusatzinformationen fand ich nur Kuriositäten, die nichts mit unserer Suche zu tun hatten. Die minutiöse Beschreibung von Foltertechniken und Strafen, die den Indios durch Staat und Kirche angetan worden waren, konnte es mit jedem Horrorfilm aufnehmen. Die Unterteilung der Gesellschaft in Rassen und Klassen, die mit der Entstehung eines Rassengemischs aus Spaniern und Indios einherging, war einfach unglaublich.
    Nicht nur ich konnte nichts wirklich Nützliches mehr entdecken, auch Proxi pfefferte ihren Juan de Betanzos nach weniger als einer halben Stunde in die Ecke. Nur Jabba hatte mit Garcilaso de la Vega ein bißchen mehr Glück. Der Inka Garcilaso schien die Aymara mit einem ganz anderen Volk zu verwechseln, das an einem Ort namens Apurímac angesiedelt war, der vom Collao und vom Titicacasee ziemlich weit entfernt war. Die Colla erwähnte er nur im Zusammenhang mit ihrer Niederlage gegen die Inka und um sich als guter Christ über die Freizügigkeit der Colla-Frauen aufzuregen, die vor ihrer Heirat mit ihrem Körper machen konnten, was sie wollten. Über die Anlage von Tiahuanaco und seine Bauwerke sagte er kaum etwas. Er beschränkte sich darauf, die gigantische Dimension der verwendeten Quadersteine zu kommentieren: >... Steine, die so groß sind, daß man sich wundert, wie sie von Menschenhand dorthin gelangen konnten, zumal es im großen Umkreis weder Felsen noch Steinbrüche gibt, aus denen sie stammen könnten ... Die größte Verwunderung aber erwecken die riesigen Torbögen. Viele von ihnen sind aus einem einzigen Stein gehauen . Und diese Riesensteine und die Torbögen bestehen aus einem einzigen Stück, deren Herstellung ungläubiges Staunen hervorruft und die Frage, mit welchen Instrumenten oder Werkzeugen sie behauen wurden.< Im Anschluß gab der Verfasser mit größter Seelenruhe zu, daß er diese Informationen aus der Chronik des Pedro de Cieza de León abgeschrieben hatte, in welche sich Proxi zuvor vertieft hatte. Die einzige wirklich bemerkenswerte Neuigkeit, die Jabba bei Garcilaso aufstöberte, war ein Satz in Klammern am Anfang des siebten Buchs. Darin erklärte der Autor, der mütterlicherseits von Langohren abstammte, daß die Inka allen Einwohnern des Reichs das Erlernen der >Allgemeinen Sprache<, also des Quechua, befohlen hatten, wozu eigens Lehrer in die Provinzen geschickt worden waren. Und dann ergänzte Garcilaso de la Vega leichthin: >Und man muß wissen, daß die Inka noch eine andere,

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