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Der verlorene Ursprung

Der verlorene Ursprung

Titel: Der verlorene Ursprung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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eigene Sprache hatten, die sie unter sich verwendeten und die als heilige Sprache von den anderen Indios weder verstanden wurde noch erlernt werden durfte.<
    »Ich könnte schwören«, murmelte Jabba nachdenklich, »das schon mal ganz ähnlich irgendwo gelesen zu haben.«
    »Ganz bestimmt!« Auch ich erinnerte mich.
    Proxi nickte. »Jabba, du hast doch selbst erzählt, daß du bei deinen Nachforschungen über die Aymara und ihre Sprache auf ein Dokument gestoßen bist, in dem es heißt, daß die von den Yatiri zum Heilen von Krankheiten verwendete Sprache die Geheimsprache war, die die Langohren untereinander benutzten.«
    »Stimmt ja!« Er schlug sich mit der Hand vor die Stirn. »Ich Esel! Die Yatiri!«
    >Ich bin tot, weil die Yatiri mich gestraft haben. < Plötzlich schoß mir der Satz meines Bruders durch den Kopf. Und schlagartig fiel es mir wie Schuppen von den Augen: Die Yatiri waren schließlich das Adelsgeschlecht der Aymara und stammten direkt von der Tiahuanaco-Kultur ab, deren Angehörige von den Inka verehrt und von den eigenen Leuten als große Weise und Philosophen angesehen wurden. Sie waren außerdem sonderbare Ärzte, die wie Hexer mit Worten heilten. Sie beherrschten wohl eine geheime, magische Sprache, die sie mit den Langohren gemein hatten. Wenn sie aber mit Worten heilen konnten, warum sollten sie dann nicht auch mit Worten Krankheiten hervorrufen können? Und wenn die heilige Sprache, von der Garcilaso schrieb, nichts anderes war als das Aymara? Wenn nun das Aymara diese perfekte, mathematische Sprache war, die Ursprache, deren Klänge dem Wesen der Geschöpfe und Dinge entsprangen? Doch warum sollten die Yatiri meinen Bruder bestrafen wollen?
    »Die Puzzleteile fügen sich zusammen«, bemerkte Proxi zum zweiten Mal. Ihr war nicht aufgefallen, daß ich mit den Gedanken kurz nicht bei der Sache gewesen war. »Wißt ihr, was ich glaube? Ich glaube, daß alles, was wir bisher herausgefunden haben, auf zwei Punkte hinausläuft: auf Tiahuanaco und die Yatiri. Hört mal zu, was Cieza de Leon schreibt.«
    Im Hintergrund arbeitete mein Gehirn weiter: Pedro Sarmiento de Gamboa hatte Peru von 1570 bis 1575 bereist und die Berichte von der Generalvisite geschrieben. In diesen fünf Jahren war er in Tiahuanaco auf die Yatiri gestoßen, obwohl die Stadt damals nur noch ein Trümmerhaufen gewesen war. Er hatte eine Karte angefertigt und einen Weg eingezeichnet, der von Tiahuanaco aus direkt in den Urwald führte, an einen zweifellos wichtigen Ort. Und als er die Karte gerade beendet hatte, wurde er von der Inquisition der Hexerei bezichtigt. Man sperrte ihn in einen geheimen Kerker in Lima, weil er angeblich eine Tinte entwickelt hatte, die jedes nur erdenkliche Gefühl in demjenigen hervorrufen konnte, der las, was mit ihr geschrieben worden war.
    »Cieza wurde 1548 zum offiziellen Chronisten Westindiens ernannt.« Proxi hatte ihre Füße auf den Rand des alten Rattantischs gestützt. »Er bereiste die wichtigsten Orte Perus und berichtete ausgesprochen detailliert über das, was er sah und hörte.«
    »Berichtete er auch darüber, daß die Colla-Frauen Sex vor der Ehe hatten?« fragte ich spöttisch.
    Proxi reagierte mürrisch. »Klar ... Und er war noch nicht mal Priester! Ein Glück, daß ich nicht damals gelebt habe!« rief sie genervt aus. »Bei so vielen altmodischen Machos wär ich bestimmt gestorben!«
    »Gut, und was schreibt er sonst so über die Colla?« Jabba wechselte schnell das Thema, um nicht am Ende selbst in die Schußlinie zu geraten.
    »Zum Beispiel, daß sie deformierte Schädel hatten.«
    »Wirklich?« Ich war ganz Ohr.
    »Hör zu: >Auf den Köpfen tragen sie wollene Mützen, die wie Mörser aussehen und die sie Chullos nennen. Und alle haben sie langgezogene Schädel mit flachem Hinterkopf, die ihnen bereits im Kindesalter eingedrückt und verformt werden, so wie ich es hier niederschreibe.c«
    »Das Mützchen heißt Chullo!« Ich lachte. »Wie >chulo< für Angeber. Aber irgendwas stimmt hier nicht. Warum schreibt er, daß allen Colla die Köpfe bereits im Kindesalter eingedrückt wurden? Mir hat die Doctora gesagt, daß die Schädeldeformation nur unter den Mitgliedern der Oberschicht üblich war. Sie haben sich dadurch von den anderen abgehoben.«
    »Hier sagt doch jeder was anderes«, murrte meine Lieblingssöldnerin. »Jeder Archäologe und jeder Anthropologe vertritt seine Version der Dinge. Aus diesem Wirrwarr fabrizieren die Historiker anschließend eine Art allgemeingültige

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