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Der verlorene Ursprung

Der verlorene Ursprung

Titel: Der verlorene Ursprung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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nicht, was danach mit ihm los war. Jedenfalls war es unmöglich, ihn zum Schlafen zu bewegen, trotz der Tabletten. Schrecklich!«
    »Hat er Anstalten gemacht aufzustehen?« fragte ich hoffnungsvoll.
    »Nein, gerührt hat er sich nicht«, murmelte meine Großmutter resigniert. »Er war besessen von seiner Beerdigung. Er wollte, daß wir ihn in den Sarg legen und begraben. Als ich ihm erklärte, daß die Toten heutzutage eingeäschert werden, hat er Gott sei Dank nicht weiter darauf bestanden ... Woher hat er bloß diese fixe Idee?«
    »Das ist das Cotardsyndrom, Oma.«
    Sie verzog den Mund, schaute mich an und widersprach mir mit einem sanften Kopfschütteln. »Sag mal, Arnauchen . Was Lola, Marc und du da treibt, das hat doch was mit Daniel zu tun, oder?!«
    Ein Sonnenstrahl näherte sich langsam meiner Tasse und schickte mir plötzlich einen Blitz in die Augen. Ich kniff sie zusammen und nickte.
    Doña Eulália seufzte wieder. »Hilft es euch, wenn ich dir erzähle, was dein Bruder nachts so von sich gibt, oder ist das dummes Zeug?«
    Was für eine kluge, feinfühlige Frau! Sie schaffte es immer wieder, mich zu überraschen. Ich lächelte und strich mir das Haar aus der Stirn. »Du bist genial! Erzähl.« Ich beugte mich zu ihr hinüber und gab ihr einen schmatzenden Kuß.
    Sie wedelte mit der Hand in der Luft, um mich zu verscheuchen, streifte mich aber noch nicht einmal. »Ich erzähle es dir unter der Bedingung, daß du mich eine Zigarette rauchen läßt, ohne mir das Leben schwerzumachen.«
    »Oma, bitte!« protestierte ich. »In deinem Alter solltest du das nicht!«
    »Genauer gesagt: In meinem Alter kann ich so was endlich tun!« Flink holte sie ein wunderschönes ledernes Zigarettenetui aus ihrer Handtasche und zog eine Zigarette mit goldenem Filter heraus. »Ihr jungen Leute habt ja keine Ahnung mehr, was gut ist.«
    »Missionier hier nicht rum.«
    »Habe ich dir meinen Glauben aufdrängen wollen? Ich spreche vom Genießen! Außerdem - wenn du mir eine Predigt halten willst, geh ich auf mein Zimmer, und jeder hat seine Ruhe. Allerdings erzähle ich dir dann auch nichts von dem, was Daniel so redet.«
    Ich schluckte meinen Protest runter, doch als sie die erste Rauchwolke ausstieß, legte ich besorgt die Stirn in Falten, damit sie wußte, was ich dachte. Das Erstaunliche war, daß meine Großmutter erst sehr spät, mit ungefähr sechzig, angefangen hatte zu rauchen, beeinflußt von ihren durchgeknallten Freundinnen. Seitdem gab es kein Essen und keine Feier, bei der sie nicht schließlich ihr Zigarettenetui hervorholte.
    »Mariona hat mir erklärt, daß diese komischen Wörter, die Daniel immer von sich gibt, aus einer Sprache sind, über die er an der Universität geforscht hat.« Sie lehnte sich im Korbsessel zurück. »Quechua oder Aymara, da ist sie sich nicht sicher. Und verlang nicht von mir, daß ich sie dir wiederhole. Aber er redet auch viel von einer Kammer unter einer Pyramide, besonders, wenn er nervös ist. Dann redet er von dieser Kammer und davon, daß dort die Ursprache versteckt sei.«
    Ich richtete mich ruckartig auf, stützte die Ellenbogen auf den Tisch und starrte sie gebannt an. »Was genau sagt er über diese Ursprache?«
    Meine Oma schien überrascht von meiner Reaktion, aber ihr Blick verlor sich sofort wieder in den Büschen um uns herum.
    »Nicht viel. Ich dachte, ehrlich gesagt, es sei dummes Zeug. Na ja, er wiederholt ständig, daß die Ursprache aus Klängen mit natürlichen Eigenschaften besteht, oder so ähnlich.« Ihre Nasenlöcher weiteten sich, und sie preßte die Lippen zusammen, als sie diskret ein Gähnen unterdrückte. »Er sagt, diese Klänge seien in der Kammer unter der Pyramide. Außerdem meine ich verstanden zu haben, daß die Pyramide oben eine Tür hat.« Sie seufzte betrübt. »Wie traurig, mein Gott! Mein armer Enkel! Glaubst du, daß Dani wieder gesund wird?«
    In der Tür zum Wohnzimmer erschien Magdalena mit einem Tablett, auf dem sie ein Glas Milch balancierte. Hinter ihr tauchte Jabba auf wie ein riesiger Schatten, und neben ihm Proxi, deren lange Beine in den Stretch-Jeans endlos wie bei einer Karikatur wirkten. Sie mußten sich gleich literweise Gel ins Haar geschmiert haben, und da Jabbas sehr lang und Proxis tiefschwarz war, wirkte der Kontrast irgendwie seltsam.
    »Guten Morgen, guten Morgen!« Jabba ließ sich mit Wucht in einen der Korbsessel fallen, der knarrte, als würde er auseinan-derbrechen. Glücklicherweise waren die Sessel solide und hatten

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