Der verlorne Sohn
meinigen geopfert; die einzige Satisfaction kann nur darin bestehen, daß ich Sie Theil an meinem Namen nehmen lasse. Ich bin der Letzte meines Stammes und habe keine Kinder. Fräulein Petermann, Sie sollen meinen Namen nebst dem Ihrigen führen. Seine Majestät der König hat die Erlaubniß ertheilt, daß Sie sich Valeska von Scharfenberg-Petermann schreiben. Ich adoptire Sie. Sie sind von diesem Augenblicke an meine Tochter und meine einzige Erbin. Die Documente sind ausgestellt. Darf ich sie Ihnen übergeben, Herr Petermann?«
Der Gefragte war sprachlos, seine Tochter ebenfalls. Der Director mußte seine Frage wiederholen, ehe er die Antwort erhielt: »Das ist unmöglich, ganz unmöglich!«
»Ich erfülle eine Pflicht, Herr Petermann, und ich erfülle sie gern. Ich will Ihnen nicht Ihre Tochter rauben, ich will Ihnen auch nicht zumuthen, die Adoption als ein Äquivalent für das, was Sie erduldeten, zu betrachten, sondern ich will Ihnen damit den Beweis geben, daß Sie meine vollste Achtung besitzen. Und indem Sie in die Adoption willigen, sollen Sie mir zeigen, daß Sie den Todten wirklich verziehen haben und auch gegen mich keinen Groll hegen.«
»Da sei Gott vor!«
»Also, nehmen Sie an?«
»Es ist zu viel, zu viel!«
Da sagte der Fürst zu ihm:
»Petermann, Sie dürfen nicht allzu zart sein. Wollten Sie auch verzichten, so doch in Rücksicht auf Ihre Tochter nicht. Für diese ist es ein Geschenk des Himmels, welches Sie unmöglich zurückweisen dürfen.«
Da dachte er an die Verlobung seiner Tochter mit dem Lieutenant und schnell entschlossen wendete er sich an den Director: »Herr Hauptmann, ist es wirklich Ihr Ernst?«
»Können Sie daran zweifeln?«
»Nun gut, ich will mich nicht weigern, falls meine Tochter bereit ist, Ihren Namen zu tragen.«
»Und Sie, Fräulein Petermann?«
»Ich kann es kaum fassen,« antwortete die Gefragte.
»O, Sie werden sich schnell daran gewöhnen. Ich verlange kein persönliches Opfer von Ihnen. Sie sollen meinen Namen tragen und meine Erbin sein. Hier meine Hand; bitte, schlagen Sie getrost ein!«
Da gab sie ihre Hand hin. Sie mußte unterzeichnen, ebenso ihr Vater und dann die Zeugen auch. Noch war man damit beschäftigt, so brachte ein Diener eine an den Fürsten gerichtete Depesche. Er öffnete sie, las und sagte dann im Tone freudiger Ueberraschung: »Meine Herrschaften, eine freudige Botschaft: Franz von Helfenstein ist ergriffen worden.«
»Wo, wo?« rief es rundum.
»Droben im Walde. Er ist von einem Felsen gestürzt und hat sich nicht weiter flüchten können. Er liegt in der Hütte eines Köhlers und der Arzt giebt Hoffnung, daß man ihn am Leben erhalten könne.«
»Gott sei Dank!« sagte der Director. »Jetzt wird man ihn nun nicht wieder entkommen lassen. Er wird für lebenslang mein Zögling sein, wenn es ihm nicht ganz und gar an den Kragen geht.«
Eben als der Director diese Worte gesagt hatte, kehrte der Diener zurück und meldete, daß ein Herr den Fürsten zu sprechen verlange.
»Wer ist es?«
»Herr Doctor Zander aus der Residenz.«
»Ah, dieser ist hier! Lassen Sie ihn herein!«
Der Doctor begrüßte die Anwesenden, welche sich alle wunderten, ihn hier zu sehen, und sagte zum Fürsten: »Durchlaucht, eine Neuigkeit; der Baron von Helfenstein –«
»Ist gefangen?« fiel der Fürst ein.
»Noch nicht – oder ja: ich weiß nicht, woran ich bin.«
»Wieso?«
»Ich glaube, ihn jetzt gesehen und gesprochen zu haben.«
»Wo denn?«
»Hier in Langenstadt.«
»Wohl schwerlich. Er wurde heute ganz anderswo gefangen.«
»Das sagte allerdings der Bürgermeister auch.«
»Sehen Sie! Sie befinden sich jedenfalls im Irrthum. Aber wie kommen denn Sie herauf nach Langenstadt?«
Der Gefragte erröthete ein wenig und antwortete:
»Um mich zu verloben.«
»Sie scherzen!«
»Fällt mir gar nicht ein.«
»Aber – mit wem denn nur?«
»Mit der kleinen Magda Weber, welche Sie ja kennen.«
»Ah, richtig! Sie ist ja von hier. Das ist aber ja recht schnell und heimlich gegangen, lieber Doctor.«
»Soll aber nun desto länger währen und auch öffentlich werden. Magda erhielt eine Depesche von ihrem Vater, daß sie schleunigst kommen solle. Ich begleitete sie. Hier angekommen, hörten wir von ihrem Vater, daß er seinen Neffen aus Amerika erwarte; deshalb hatte er die Tochter zu sich gerufen. Der Neffe soll sein Glück gemacht haben. Eben als wir vor einigen Minuten beim Abendessen saßen, kam der Erwartete, in welchem ich zu meinem Erstaunen
Weitere Kostenlose Bücher