Der verlorne Sohn
Langenstadt.«
»Sie mit?«
»Ja, natürlich.«
»Gut, gut! Ah, wenn wir die Prämie verdienten!«
»Ich würde nichts zu beanspruchen haben. Sie sind es ja, der den Gedanken gehabt hat. Auf welche Weise aber wollten Sie denn nach Langenstadt kommen?«
»Nun, zu Fuße. Anders nicht.«
»Da vergeht zu viel Zeit. Wir müssen fahren.«
»Haben Sie Pferde?«
»Die miethen wir uns.«
»Das können Sie sagen, aber ich nicht. Ein halber Gulden ist mein ganzes Vermögen.«
»Damit wollten Sie diesen weiten Weg machen!«
»Warum nicht? In der einen Tasche ein Stück Schwarzbrot und in der anderen einen halben Gulden, mehr braucht man doch wohl nicht. Unsereiner ist nicht auf Kibitzeier, Hummern, Austern und Caviar dressirt!«
»Desto besser! Kommen Sie also! Ich kehre wieder um. Da in der Stadt wird es wohl einen Lohnkutscher geben. Wir könnten zwar die Bahn benutzen, müßten aber einen großen Umweg machen und würden dabei sehr viel Zeit verlieren. Wie aber haben Sie sich denn eigentlich Ihr Auftreten in Langenstadt gedacht?«
»Wie? Nun ich wollte zu Weber gehen.«
»Frei und offen?«
»Wie denn sonst?«
»So, daß Derjenige, den Sie suchen, Sie hätte kommen sehen können?«
»Warum denn nicht?«
»Das ist doch klar! Wenn Ihre Vermuthung richtig ist, so hat der Hauptmann den Amerikaner von der Platte gestürzt?«
»Das meine ich.«
»Er hat sich also in jener Gegend aufgehalten.«
»Das ist freilich möglich.«
»Sogar sehr wahrscheinlich. Ich nehme sogar an, daß er Ihr Haus kennt und auch Sie selbst.«
»Ich glaube gar.«
Er hütete sich wohl, zu sagen, daß er es nicht nur glaube, sondern sogar sehr genau wisse. Anton fuhr fort: »Wenn er Sie kommen sähe, würde er sofort wissen, was seiner wartet und schleunigst die Flucht ergreifen. Das darf nicht geschehen.«
»Ich muß aber doch sehen, ob er es ist.«
»Das lassen Sie nur mir über!«
»Kennen Sie ihn denn auch?«
»Sehr genau.«
»Er wohl auch Sie?«
»Ja.«
»Nun, so dürfen Sie sich ja auch nicht sehen lassen!«
»Ich werde dafür sorgen, daß er mich nicht kennt. Zunächst müßten wir uns heimlich bei Weber nach ihm erkundigen. Das aber hat seine Schwierigkeiten.«
»Wäre es nicht gut, der dortigen Polizei zu telegraphiren?«
»Gut wäre es, wenn man sich auf ihre Schlauheit und Umsicht verlassen könnte. Da ich aber nicht weiß, ob dies der Fall ist, so wollen wir es lieber unterlassen.«
Sie fanden in dem Bahnstädtchen einen Lohnkutscher, der sie kurz vor der Mittagszeit nach Langenstadt brachte. Anton ließ das Geschirr vor dem Rathhause halten und erfuhr, daß der Bürgermeister sich in seiner Expedition befinde.
Das Oberhaupt der Stadt empfing die beiden Männer nicht eben in sehr zuvorkommender Weise, zeigte aber sofort ein anderes Wesen, als Anton sich ihm als Criminalgensdarm legitimirte. Er bot ihnen Sessel an und fragte: »Sie kommen vielleicht in einer amtlichen Angelegenheit?«
»Ja. Ich möchte mir eine Erkundigung gestatten. Ist gestern ein Fremder hier im Orte angekommen?«
»Einige Herren, welche sich nach dem Schlosse begaben, am Abende aber wieder abreisten.«
»Weiter Niemand?«
»Nein.«
»Dann merke ich, daß unsere Reise nach hier zwecklos war. Wir vermutheten nämlich, daß der Holzschnitzer Weber gestern Besuch bekommen habe.«
»Weber? Ah! Das ist ja auch der Fall.«
»Wirklich! Sie verneinten doch die Ankunft eines weiteren Fremden, Herr Bürgermeister.«
»Der Betreffende ist nicht wohl als Fremder zu betrachten.«
»Warum?«
»Er ist Verwandter Webers.«
»Woher?«
»Aus Amerika.«
»Ich pflege Amerika zur Fremde zu rechnen. Haben Sie diesen Herrn vielleicht gesehen?«
»Nein.«
»Aber von ihm gehört?«
»Sogar in höchst amüsanter Weise. Gestern am Abende war ein Mann hier, welcher behauptete, daß dieser Amerikaner der entflohene Baron von Helfenstein sei.«
»Sie untersuchten natürlich die Sache sofort?«
»Das konnte mir nicht einfallen. Ich war benachrichtigt worden, daß der Flüchtling ergriffen worden sei. Die wahnsinnige Idee dieses Doctor Zander konnte mich nicht irre machen.«
»Doctor Zander? Giebt es hier einen Herrn dieses Namens?«
»Nein. Er war aus der Residenz und nur auf Besuch anwesend.«
»Ah! Ich sage Ihnen, daß ich diesen Herrn gut kenne, und daß er nicht die Gewohnheit hat, wahnsinnige Ideen zu besitzen. Hoffentlich befindet sich der betreffende Amerikaner noch bei seinen Verwandten?«
»Auf alle Fälle.«
»Ich werde ein Wort mit ihm zu
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