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Der verlorne Sohn

Der verlorne Sohn

Titel: Der verlorne Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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einen Handwerksgesellen zum Tischgenossen zu bekommen. Er machte seiner Unzufriedenheit dadurch Luft, daß er sich an ihm zu reiben versuchte. Er fragte: »Ist denn hier zu Lande das Betteln nicht verboten?«
    »Freilich wohl, lieber Herr. Aber wenn man es nicht zur Profession macht, so ist es wohl keine Schande.«
    »Es ist auf jeden Fall eine!«
    »Der Mensch will leben!«
    »Und soll arbeiten!«
    »Wenn er keine Arbeit bekommt und nicht verhungern will, so ist er gezwungen, sich an die Güte seiner Mitmenschen zu wenden. Ob sich ein Reicher bei einem Bekannten vornehm zu Gaste bittet, oder ein armer Teufel in Demuth und Bescheidenheit bei einem Unbekannten, das ist ganz dasselbe. Beide sind Gäste.«
    »Ja, Beide sind Gäste, der Eine von ihnen aber ist ein Lump.«
    »Neffe!« bat die Hausfrau.
    »Vielleicht ist der Reiche der Lump,« sagte der Handwerksbursche in ruhigem Tone. »Sie können Recht haben.«
    »So ist’s nicht gemeint. Man muß doch wenigstens wissen, mit wem man zu thun hat. Was sind Sie denn eigentlich?«
    »Tischler.«
    »Können Sie sich legitimiren?«
    »Ja.«
    »Zeigen Sie doch einmal.«
    Der Fremde zog sein Wanderbuch aus der Tasche und gab es dem Amerikaner, ohne ein Zeichen des Zornes merken zu lassen. Er hatte sich das Buch eben erst in der Herberge geholt, wo ein Tischler gesessen hatte.
    »Von drüben,« sagte der Baron. »Wann sind Sie zugereist?«
    »Heut.«
    »Etwa durch den Wald?«
    »Ja, Herr.«
    »Was giebt es da Neues?«
    »Nicht viel Gescheidtes. Ich wäre fast arretirt worden.«
    »Ah! Warum?«
    »Weil man mich für einen Verbrecher hielt, welchen man suchte.«
    »Wer ist das?«
    »Der Hauptmann.«
    »Der ist doch bereits gefangen?«
    »Und dennoch ist er es nicht. Man hat ein Opfer von ihm für ihn selber gehalten.«
    »Das müssen Sie mir erklären.«
    »Nun, er hat einen Anderen vom Felsen gestürzt und mit dem Todten die Anzüge gewechselt.«
    »Das ist doch wohl nur Vermuthung!«
    »Mir hat man es als Wahrheit erzählt.«
    »So ist der Andere wirklich todt?«
    »Man hielt ihn für todt; aber es hat sich herausgestellt, daß Leben in ihm ist.«
    »So hat er wohl erzählt, daß er von dem Hauptmann von dem Felsen gestürzt worden ist?«
    »Nein. Er kann gar nicht sprechen. Er liegt in tiefster Bewußtlosigkeit.«
    »So ist es eben eine grundlose Behauptung. Der Verunglückte ist der Hauptmann selbst.«
    »Wohl kaum. Er ist von Leuten untersucht worden, welche den Hauptmann genau kennen und also wissen müssen, daß sie es mit einem andern zu thun haben.«
    »Dumm genug von der Polizei, daß sie sich diesen sogenannten Hauptmann abermals entgehen läßt.«
    »Bester Herr, Sie scheinen sich in einem großen Irrthume zu befinden, da Sie dies sagen.«
    »Wieso?«
    »Die hiesige Polizei ist nicht so dumm, wie Sie denken.«
    »Aber entkommen hat sie ihn wieder lassen!«
    »Eben nicht, denn sie wissen ganz genau, wo er steckt!«
    »Was sagen Sie? So mag sie ihn doch ergreifen!«
    »Das wird sie jedenfalls auch thun.«
    »Sie scheinen ja außerordentlich unterrichtet zu sein!«
    »Ich habe nur so nebenbei erfahren, was Andere wissen.«
    »So wissen Sie vielleicht, wo er steckt?«
    »Ja.«
    »Ah, das ist stark! Wollen Sie es uns wohl sagen?«
    »Er soll hier in Langenstadt stecken.«
    »Ah so! Wohl gar in diesem Hause in dieser Stube?«
    »So hörte ich.«
    »Gewiß soll ich es sein?«
    »So heißt es.«
    »Da sagen Sie mir freilich keine Neuigkeit, denn ich wurde gestern einige Male für den Gesuchten gehalten.«

    »Zuletzt von dem Herrn Doctor Zander?«
    »Ja. Das ist eine zufällige Ähnlichkeit.«
    »Ist der Ring, den Sie da am Finger tragen, auch zufällige Ähnlichkeit?«
    »Was ficht Sie der Ring an!«
    »Ich kenne ihn und zwar sehr gut.«
    »Woher denn, wenn ich fragen darf?«
    »Ich bin ein alter guter Bekannter des Barons Franz von Helfenstein. Als er arretirt wurde, ließ man ihm diesen Ring einstweilen am Finger, weil er so eng geworden war, daß man ihn nicht herunterbrachte.«
    Der Baron erbleichte.
    »Das ist ein guter Roman!« hohnlachte er. »Also Sie sind ein Bekannter von ihm? Er kennt Sie also?«
    »Ja. Ich wohnte bereits beim Fürsten von Befour und hatte das Vergnügen, Sie mit gefangen zu nehmen. Man nennt mich kurzweg Anton.«
    »Anton! Hallunke!« entfuhr es dem Baron.
    Er fuhr von seinem Sitze auf; Anton erhob sich auch. Sie standen sich drohend gegenüber.
    »Pah!« sagte der Baron, sich fassend. »Das ist ja Puppenspiel. Meine Ähnlichkeit verführt Sie

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