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Der verlorne Sohn

Der verlorne Sohn

Titel: Der verlorne Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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nur.«
    »Diese Ähnlichkeit kennt man. Sie sind mein Gefangener!«
    »Was! Ich! Arretirt etwa?«
    »Ja.«
    »Einen freien Amerikaner arretiren!«
    »Ich arretire einen entsprungenen Räuber und Mörder.«
    »Das versuchen Sie?«
    »Sogleich. Hier sind die Handschellen. Bitte, Ihre Hände!«
    Er zog die Handschellen aus der Tasche hervor. Jetzt sah der Baron, daß es wirklich Ernst war.
    »Hund, so kommst Du mir nicht! Das soll Dir nicht gelingen!«
    Er drang mit gezücktem Tischmesser auf Anton ein. Dieser that einen blitzschnellen Griff in die Tasche. Es krachte dreimal hintereinander auf – der Baron ließ Hand und Messer sinken.
    »So,« lachte Anton. »Drei Revolverkugeln. Die Hand ist zerschmettert. Sie wird Niemandem wieder gefährlich werden. Binden Sie ihn.«
    Auf den Schall der Schüsse hin nämlich hatte sich die Thür geöffnet, und der Gensd’arm war mit den beiden Polizisten eingetreten. Sie waren im Flur postirt gewesen.
    Der Baron hatte einige Augenblicke lang ganz entsetzt auf seine blutige Hand geblickt. Jetzt brüllte er auf: »Und noch habt Ihr mich nicht! Blut gegen Blut!«
    Er riß das Messer mit der Linken an sich und stürzte sich auf den Gensd’arm, welcher der Thür am nächsten stand. Da aber sprang Anton blitzschnell herbei, faßte mit seiner Linken die bewaffnete Hand des Barons, richtete den Lauf des Revolvers dagegen und drückte dreimal ab.
    Der Baron stieß einen Schrei aus, ähnlich demjenigen eines wilden Thieres und wurde dann zu Boden geschleudert. Man fesselte ihm die Arme und die Beine so, daß er nur kleine Schritte zu machen vermochte.
    »Dem sind die Flügel für immer gestützt,« sagte der Gensd’arm, auf die beiden zerschmetterten Hände deutend. »Es war allen Ernstes auf mein Leben abgesehen.«
    »Ich bin nicht gern grausam,« antwortete Anton, »aber diesem Teufel mußte ich die Macht nehmen. Es wird mich wohl Niemand darum tadeln.«
    Weber war, wie sämmtliche Angehörige seiner Familie, vor Bestürzung ganz wortlos gewesen. Jetzt endlich vermochte er wieder zu reden. Er sagte: »Aber, meine Herren, mein Neffe ist ja unschuldig!«
    »Ihr Neffe?« lachte Anton. »Es ist der Hauptmann, der Baron von Helfenstein, den wir suchen.«
    »Aber er hat ja Legitimationen, Geld und Alles; Alles, was meinem Neffen gehört!«
    »Das hat er ihm gestern früh abgenommen, als er ihn von der Felsenplatte stürzte.«

»Herr, mein Heiland! So ist mein Neffe todt?«
    »Nein, glücklicher Weise nicht, wie ich bereits bemerkte. Er wird sich vielleicht wieder erholen. Er befindet sich im Hause des Köhlers Hendschel in Pflege.«
    »Da muß ich hin, sofort hin!«
    »Thun Sie das; vorher aber werden Sie hier zu vernehmen sein. Welche Menschenmenge da draußen! Man hat die Schüsse gehört. Da kommt auch der Herr Bürgermeister. Er mag das Protokoll verfassen.«
    Der Bürgermeister mußte sich seinen Weg durch die versammelten Menschen förmlich bahnen. Er war nun allerdings in hohem Grade betroffen, als er bewiesen sah, daß Doctor Zander gestern Abend Recht gehabt hatte.
    Der Gefangene wurde ausgesucht. Man nahm ihm Alles ab, was er mitgebracht hatte, und fertigte ein Zeugniß davon an. Dann wurde er auf das Rathhaus transportirt, wo die Depesche des Fürsten anlangte, welche Anton sofort beantwortete.
    Hier, auf dem Rathhause, wusch sich Anton auch die Bartwolle ab, welche seinem Kopfe und Gesichte ein so verändertes Aussehen gegeben hatte.
    Es dauerte bis gegen Abend, ehe der nächste Zug abging. Bis dahin wurde der Gefangene sogar in der Zelle von einem Beamten bewacht. Ein herbeigerufener Arzt hatte seine Hände in den ersten Verband gebracht.

    Sobald der Fürst die Antwort Antons gelesen hatte, war er im Carrière zum Köhlerhause zurückgekehrt, um dem Staatsanwalte die Botschaft selbst zu bringen. Beide brachen natürlich schleunigst nach der Residenz auf, nachdem sie in Beziehung des verunglückten Amerikaners ihre Bestimmungen getroffen hatten. –Selbst in der großen Residenz sprach es sich mit der Schnelligkeit des Blitzes herum, daß der gestrige Gefangene ein Unschuldiger sei, daß man aber den Hauptmann dafür heute in Langenstadt ergriffen habe und ihn mit dem nächsten Zuge bringen werde.
    Als dann dieser Zug anlangte, standen die Menschen zu vielen Tausenden auf dem Bahnhofe und in den angrenzenden Straßen. Man durfte gar nicht riskiren, den Bahnhof mit ihm zu verlassen. Man hielt ihn dort versteckt und verbreitete das Gerücht, daß er erst mit dem letzten Tageszuge

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