Der verlorne Sohn
zupfte sich sein Vorhemdchen zurecht und sagte in dem selbstbewußtesten Tone, der ihm möglich war: »Man ist doch gleich ein ganz anderer Mensch, wenn man einmal die guten Sachen anthut.«
Sie aber schob ihn kräftig zur Seite und schmunzelte:
»Geh’ auf die Seite! Wer wird so eitel sein!«
»Aber Du darfst wohl in den Spiegel gucken, he?«
»Ich muß nach den Haubenschleifen sehen. Das hast Du ja nicht nöthig!«
Während sie sich vor dem Spiegel nach rechts und links drehte, trat der Arzt zu dem Handkorb und blickte hinein.
»Sapperment!« sagte er. »Was haben Sie denn da eingepackt?«
»Brod und Käse und Backäpfel.«
»Wozu denn?«
»Zur Fourage.«
»Was? Diesen harten Käse wollen Sie essen?«
»Herr, es ist der feinste Reibekäse!«
»Wie alt denn?«
»Na, er liegt schon einige Jahre droben auf dem Balken. Je älter, desto besser.«
»Gott, sind Sie um Ihre Zähne zu beneiden! Aber diese Äpfel. Sind das nicht Holzäpfel?«
»Ja. Die haben mir Mühe gemacht damals.«
»Wann war denn dieses damals?«
»Vor ungefähr ein Jahrer zwanzig.«
»Dann schmeckt das Zeug ja doch wie Galläpfel!«
»Ja, es wickelt Einem die Zunge ein bischen zusammen; aber das schadet nichts; das ist gesund. Sauer macht lustig!«
»Gott erhalte Ihnen Ihren Magen! Aber wo denken Sie denn, diese Nahrungsmittel zu verkaufen?«
»Na, in der Hauptstadt!«
»Das kann ich mir denken! Aber bei wem? Im Hotel?«
»Hotel? O nein. Wir wohnen bei Verwandten. Und weil wir denen doch nicht Alles wegessen wollen, so haben wir uns selbst etwas mitgenommen.«
Ueber das Gesicht des Arztes zuckte es eigenthümlich.
»Schade!« sagte er. »Jammerschade!«
»Was denn? Was ist jammerschade?«
»Mit diesem Käse könnten Sie Ehre einlegen.«
»Bei wem denn?«
»Beim Fürsten von Befour.«
»Was Sie sagen! Ist’s wahr?«
»Ja. Er ist als der größte Freund von sehr altem, hartem Reibekäse weit und breit bekannt. Wer weiß, ob er schon einmal so alten gesehen hat wie diesen hier!«
»Meinen Sie? Du, Alter, denkst Du, daß wir da den Käse dem Fürsten anbieten wollen?«
»Natürlich! Wir setzen uns da einen Stein in’s Brett!«
»Und was für einen,« meinte der Arzt. »Aber Eins müssen Sie mir hoch und theuer versprechen.«
»Was denn?«
»Daß Sie mich nicht verrathen wollen.«
»Ah! Warum denn nicht?«
»Weil er es mir im Vertrauen mitgetheilt hat, daß er solchen alten Stänker am liebsten ißt. Ich als Arzt will mir doch nicht nachsagen lassen, daß ich solche Sachen ausplaudere.«
»Das ist richtig. Aber wenn er uns nun fragt, woher wir es wissen? Was sagen wir dann?«
»Sie brauchen doch blos zu sagen, daß es im ganzen Lande bekannt ist. Das genügt.«
»Gut, ganz wie Sie wollen.«
»Sie werden, wie gesagt, Ehre bei ihm einlegen. Und was die Backäpfel betrifft – na, es wird aber zu viel.«
»Was denn zu viel?«
»Ich möchte Sie nicht um Ihre Sachen bringen.«
»Was das betrifft, so sind wir gar nicht etwa so geizig.«
»Das wäre sehr gut. Zudem könnten Sie sich auch diesen vornehmen Herrn zum Freunde machen. Es trifft sich aber auch gerade so gut und schön.«
»Bitte, geniren Sie sich nicht, Herr Doctor! Herunter mit Dem, was Sie auf dem Herzen haben!«
»Nun, gerade weil Sie auch zu dem Herrn Oberlandesgerichtsrath von Eichendörffer müssen, wollte ich Ihnen einen kleinen Wink geben, der Ihnen von großem Nutzen sein kann.«
»Winken Sie; winken Sie nur!«
»Nämlich der Herr von Eichendörffer hat ein eigenthümliches Leiden, eine unheilbare Krankheit!«
»Der arme Teufel!«
»Er leidet nämlich an einer unterirdischen Hasenscharte.«
»Davon habe ich noch nie etwas gehört, nämlich von einer unterirdischen Hasenscharte.«
»Eine unterirdische Hasenscharte, oder, wie wir Ärzte uns ausdrücken, ein verborgener Wolfsrachen liegt nämlich so unter der Haut, daß man gar nichts davon sehen kann.«
»Ach so!«
»Um so schlimmer ist aber das Leiden.«
»Kann es denn nicht geheilt werden?«
»Nein. Man kann doch etwas Unterirdisches nicht operiren. Wer eine solche Hasenscharte hat, der kann nicht gut sprechen. Er muß also immer etwas Zusamenziehendes essen, damit die Scharte sich schließt. Da giebt es nun nichts Besseres und Kostbareres als recht uralte, abgebackene Holzäpfel. Verstanden?«
»Sapperment!« entfuhr es der Köhlerfrau.
»Dieser Herr nun kauft heimlich alle solche Äpfel zusammen. Aber weil er täglich wenigstens zwei Pfund gebraucht, so sind fast gar keine mehr zu
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